Oder auch: Was brauche ich alles für ein Off-Road Rennen?
Kurze Antwort auf diese Frage: Viel! Und auch noch mal etwas mehr als bei einem Straßen-Rennen. Dies liegt daran, dass man weniger Resupply-Möglichkeiten hat, mehr technisches Equipment mitnehmen und auch für unterschiedliche Wetterbedingungen besser ausgerüstet sein muss. Dies erhöht natürlich die Materialschlacht im Vorhinein, gleichzeitig habe ich jetzt (fast) alles, was man so kleine und große Outdoor-Abenteuer braucht.
Wie bei meiner Packliste für das Three Peaks Bike Race habe ich versucht zu jedem Produkt kurz die Vor- und Nachteile aufzuführen, die mir bis jetzt aufgefallen sind. Die Verlinkungen sind nach wie vor unentgeltlich, also kauft die Produkte auch gerne wo anders. Und bei Fragen schreibt mir einfach (kontakt@wildgeworden.org).
Ein extrem leichtes MTB mit Vollcarbon Ausstattung, elektronischer Schaltung und Federgabel von Fox. Dazu eine sehr komfortable Sitzposition.
Scheibenbremsen von SRAM. Jeder der die schon mal gefahren ist weiß vermutlich: Die quietschen gerne. Und das haben meine definitiv nach Lust und Laune immer wieder getan.
Werkzeug
Multitool, Luftpumpe, Ersatzschlauch, Tubeless-Milch, Tubeless Kit, Schaltauge, Bremsbeläge (1x), Kettenwachs, Ersatzakku für die Schaltung
Ich habe zum Glück nur die Bremsbeläge gebraucht – davon würde ich nächstes Mal aber 2 Paar mitnehmen!
Toller Fahrradcomputer! Beim Three Peaks hatte ich den Bolt ausgeliehen und mir nun den Roam gekauft. Hat ein noch etwas größeres Display, besseren GPS-Empfang und etwas mehr Akkuleistung.
Extrem gute Lampe. Hochwertig verarbeitet, einfache Bedienung (drei individuell einstellbare Leuchtstufen) und eine relativ lange Leuchtdauer
Teuer (Tipp: Rabattaktionen nutzen!) und keine Memory-Funktion (d.h. die Lampe geht immer entweder auf der höchsten oder niedrigsten Stufe an).
Fahrradlichter von Sigma
Meine Hauptbeleuchtung war die PIKO, die Fahrradlichter dienten nur als Ersatzleuchten.
Das Rücklicht war leider nach dem dritten Tag kaputt, wobei das bei der Nässe und dem Dreck auch nicht allzu verwunderlich ist. Daher immer ein Ersatzlicht mitnehmen!
Mini-Schloss
Kann man vermutlich mit einer Zange aufbrechen, aber um das Fahrrad mal kurz vor dem Supermarkt stehen zu lassen reicht es auf jeden Fall.
Meiner Meinung nach ein wirklich guter Biwaksack. Aufgrund des aufstellbaren Kopfbereichs hat man deutlich mehr Platz als bei anderen Modellen und ich habe auch nie Probleme mit Kondens (selbst im geschlossenen Zustand). Gleichzeitig wärmt er und schützt vor neugierigen Blicken.
Etwas größer und schwerer als ein herkömmlicher Biwaksack, gleichzeitig bietet er natürlich nicht so viel Platz und Komfort wie ein Zelt (insbesondere bei schlechtem Wetter könnte dies relevant sein).
Ich bin mit Kontaktlinsen gefahren und hatte da keine Probleme. Habe allerdings für das Rennen etwas hochwertigere mit einer längeren Tragezeit gekauft und ein Paar als Ersatz dabei gehabt.
An der Bib-Short würde ich definitiv nicht sparen. Insbesondere eine Schnalle ist für Frauen sehr viel wert und das Sitzpolster sollte wirklich gut zum Hintern und Sattel passen!
Nach dem Three Peaks hatte die Bib schon einige eingerissene Nähte und durch den Sturz auch Löcher, die ich aber dann einfach wieder geflickt habe. Jetzt sieht sie leider noch etwas zerstörter aus….
2 Merinoshirt von Ortovox
Ich bin das Rennen einfach in einem normalen Merinoshirt und keinem Radtrikot gefahren und kann das wirklich sehr empfehlen. Musste die Shirts nicht waschen und gleichzeitig sind sie leichter als ein Radtrikot.
Die fehlenden Taschen am Rücken. Da ich einen Rucksack aufhatte war das kein Problem, ansonsten sind die schon ziemlich praktisch. Es gibt mittlerweile aber auch Radtrikots aus Merino-Wolle.
Wasserdicht, relativ leicht und dank Reisverschlüssen unter den Armen auch atmungsaktiv. Nutze die Jacke für alles und kann sie wirklich sehr empfehlen.
Die Tasche passt perfekt in meinen Rahmen und mir gefällt die Aufteilung sehr.
Komplett wasserdicht war sie nicht, aber bei dem Regen sind selbst eingeschweißte Müsliriegel aufgeweicht…. Sollte man allerdings immer im Hinterkopf haben und Elektronik etc. zusätzlich schützen.
Kann ich sehr empfehlen. Der Rucksack hat ein großes Hauptfach mit Platz für die Trinkblase und ein kleines Meshfach. Und dazwischen ist noch Platz um die Jacke etc. zu verstauen. Außerdem ist er erstaunlich robust.
Foodpouches (selbst genäht!)
Sehr praktisch für die vielen Snacks, die ich immer dabei hatte.
Alles klappert und klirrt immer. Bei einem MTB-Rennen also vielleicht lieber ohne und das Essen in den Taschen etc. verstauen.
Kleine Rahmentasche für Werkzeug (ebenfalls selbst genäht)
Unterhalb von der Apidura-Rahmentasche war noch ein bisschen Platz und hierfür habe ich mir eine kleine dreieckige Rahmentasche für Werkzeug und Verbandsmaterial genäht (aus Cordura-Stoff).
Ultraleichte Reißverschluss-taschen
Einfach bei Amazon ein paar Aufbewahrungstäschchen aus Netzstoff bestellt und dann individuell kleiner genäht. Hat dafür gesorgt, dass nicht alles in den Taschen durcheinanderfliegt.
Trinkblase (2 L), Softflasks (insg. 1 L) und Trinkflasche
In die Softflasks und die Trinkflasche habe ich immer Cola gefüllt, in der Trinkblase war nur Wasser. Ich bin damit gut klar gekommen.
Wasserfilter
Habe ich nie gebraucht, hat mir aber immer ein gutes Gefühl gegeben und dafür gesorgt, dass ich mich auch mal mit weniger Wasser auf den nächsten Abschnitt begeben habe. Ist daher also durchaus sinnvoll.
Der Start des Trans Balkan Race 2024 ist am Freitag um 09 Uhr in Sezana. Schon am Tag zuvor wurden besorgt die Wetterkarten studiert, denn die Aussichten für die ersten Tage waren leider gar nicht gut. Passend dazu startete das Rennen auch direkt im strömenden Regen. Trotzdem läuft es am Anfang gut. Nach einem kurzen Stück auf Asphalt geht der Weg zwar direkt in groben Schotter über, aber dank der Aufregung und Freude über den Beginn der Tour fliegen die Kilometer nur so vorbei. Nach einer Zeit kommt sogar kurz die Sonne hervor und durch die zahlreichen Begegnungen mit anderen Fahrern erscheinen auch die Höhenmeter gar nicht so dramatisch. Gleichzeitig wechseln sich kleine, technische Trails mit Schotterwegen und Asphalt ab, was ebenfalls zu einer großen Abwechslung beiträgt. Leider beginnt es bald erneut zu regnen und dieses Mal ist es zeitweise so heftig, dass ich mich kurz unterstellen muss. Aber irgendwie will ich auch nicht den ganzen Tag nur unter irgendwelchen Dächern stehen, weshalb ich viel im Regen fahre und dankbar um meine gute Ausrüstung bin.
Gegen Abend wird es jedoch dann zunehmend kalt und ich beginne mir Sorgen zu machen, wo ich die Nacht verbringen kann. Ich hatte mich gerade damit abgefunden draußen zu schlafen, als in dem Dorf Fuzine ein kleines Hotel am Wegesrand auftaucht. Es ist schon gut gefüllt mit anderen Rennteilnehmern, aber ich bekomme noch das letzte Zimmer. Ich dusche heiß und sitze kurze Zeit später mit den anderen beim Abendessen. Welche glückliche Fügung!
Tag 2: Von Fuzine nach Gospic (182 km, 3688 hm)
Ich mache mich um fünf Uhr morgens wieder auf den Weg. Es geht zuerst ein Stück flach auf Asphalt und dann jedoch wieder in einen Wald und die ersten Höhenmeter nach oben. Wir sind nun mitten im Bärengebiet, weshalb ich versuche, beim Fahren möglichst viel Krach zu machen (was nicht allzu schwer ist, da alleine mein Freilauf schon Fußgänger regelmäßig erschrocken zur Seite hüpfen lässt). Dabei komme ich gut voran und die schönen Aussichten auf die Küste Kroatiens machen auch manche Anstrengung wett. Gleichzeitig ist das Wetter überraschend stabil.
Schließlich beginnt jedoch ein knapp 20 km langer, zum Teil sehr steiler Anstieg in den Velebit-Nationalpark. Es ist extrem anstrengend und da es nur durch einen Wald geht sind auch die Aussichten nicht gerade motivierend. Darüber hinaus dämpft die Nachricht, dass es auf der Hütte am höchsten Punkt des Anstiegs kein Essen, sondern nur Getränke gibt, zusätzlich die Motivation. Als ich endlich dort ankomme bin ich ziemlich erschöpft und kann nur mithilfe von ein paar Bechern gutem Bergkaffee (der in einer großen Seelenruhe zubereitet wird) irgendwann wieder weiter fahren.
Der weitere Weg ist ziemlich grobschotterig und ich werde viel durchgeschüttelt (zu dem Zeitpunkt bin ich noch mit viel zu viel Reifendruck unterwegs). Wirklich schnell voran komme ich also nicht, aber dafür sehe ich meinen ersten Bären. Er trottet in dem Moment über die Straße, als ich gerade um die Kurve biegen möchte. Glücklicherweise habe ich ihn aus einiger Entfernung schon gesehen und kann ihn mit einem gezielten Bärenglockeneinsatz ins Gebüsch vertreiben 😉
Es ist schon spät, als ich endlich Gospic erreiche. Ich teile mir ein Apartment mit zwei anderen Racern, esse noch kurz etwas, kann aber leider trotz der Erschöpfung gar nicht so gut schlafen.
Tag 3: Von Gospic nach Mazin / Checkpoint 1 (107 km, 2814 hm)
Der Tag beginnt mit Kaffee und einem kleinen Frühstück, trotzdem bin ich nicht so richtig motiviert. Irgendwie habe ich mental noch nicht in das Rennen gefunden, frage mich immer wieder, warum ich das überhaupt mache und zähle gedanklich die Tage, wie lange es noch dauert bis ich endlich im Ziel bin (Kleiner Spoiler: Viel zu lange). Gleichzeitig habe ich Knieschmerzen und bin besorgt, wie sich das weiter entwickelt. Ich versuche den Cleat für meine Klickpedale ein bisschen nach hinten zu verstellen und glücklicherweise führt dies tatsächlich zu einer Linderung der Schmerzen.
Streckentechnisch geht es kurz über ein flaches Stück, bevor dann wieder das Klettern anfängt. Mittlerweile ist es brütend heiß und die Wege zwar fahrbar, aber trotzdem fühlt sich alles viel zu anstrengend ans. Als dann auch noch auf einem kurzen Abschnitt auf einer Straße ein Bus total nah an mir vorbei fährt bin ich wirklich am Ende mit meinen Nerven. Ich rufe meinen Mann an und heule nur noch. Ein überforderter anderer Racer hält an, fragt, ob alles in Ordnung ist und meint dann, ich könne ja einfach aufhören an dem ersten Checkpoint. Und tatsächlich ist das der Punkt an dem ich denke: ernsthaft? Einfach aufhören entspricht so gar nicht mir. So lange hatte ich mich auf die Tour vorbereitet und von Anfang an war klar, dass es nicht einfach werden würde. Also gebe ich mir selbst einen Arschtritt. Weg mit den Zweifeln, her mit der mentalen Stärke. Ich würde diese Tour jetzt zu Ende fahren und danach könnte ich immer noch beschließen, so etwas nie wieder zu machen. Und genauso wie das Verstellen des Cleats, so scheint auch das geholfen zu haben.
Was nicht heißt, dass ab jetzt alles easy ist. Vielmehr kämpfe ich mich weiter durch den Wald. Höhenmeter um Höhenmeter, Hauptsache nicht anhalten sondern immer weiter fahren. Als ich gedanklich quasi schon am Checkpoint bin fängt es an zu regnen, was alle Wege in kürzester Zeit in Schlamm verwandelt und ein richtiges Weiterfahren kaum möglich macht. Ich schiebe also und komme dementsprechend nur langsam voran. Aber schließlich bin ich endlich da. Ich werde mit einer großen Portion Nudeln empfangen und sehe bekannte Gesichter wieder. Leider beschließen einige hier aufzuhören und ja, es ist absolut verlockend. Aber ich möchte unbedingt noch die restliche Strecke sehen, die landschaftlich viel schöner sein soll.
Nachdem ich mich gestärkt habe überlege ich kurz noch weiter zu fahren. Allerdings hält der Regen weiterhin an und es ist sogar noch ein Unwetter angekündigt. Ich dusche also, ergattere eines der vier Betten im Checkpoint und finde mal wieder in einen eher unruhigen Schlaf (zu viele Schnarcher…).
Tag 4: Von Mazin auf eine Berghütte am Mt. Sinjal (145 km, 2918 hm)
Am Morgen breche ich um vier Uhr auf um weiter zu fahren, zuvor gab es jedoch noch einen guten Kaffee. Die Menschen am Checkpoint sind wirklich rund um die Uhr für uns Teilnehmenden im Einsatz was extrem schön und motivierend ist. Es geht zuerst recht gemächlich über ein paar Felder und ich freue mich dem Erwachen der Natur zuzuschauen, bis ich schließlich bemerke, dass ich meine Regenüberschuhe vergessen habe. Mist. Ich gehe jedoch davon aus, dass ich sie nicht mehr brauche (kleiner Spoiler: Falsch gedacht) und entscheide mich gegen einen 10 km Umweg.
Schon bald wird der Weg ziemlich matschig und ich muss immer wieder an Pfützen entlang schieben. Trotzdem komme ich ganz gut voran, bis mir plötzlich ein Stier gegenüber steht. Ein einzelner Stier. Die Worte von einer Freundin kommen mir in den Kopf, dass diese Tiere dann besonders gefährlich sind. Wir stehen uns kurz gegenüber, beide unschlüssig, was wir jetzt tun sollen. Ich beginne ganz langsam rückwärts zu laufen und der Stier setzt sich ebenfalls in Gang – zurück Richtung Weide. Ich bin erleichtert und setze meinen Weg fort. Kurze Zeit später muss ich zwei große Wachhunde passieren, die direkt auf dem Weg schlafen. Beide sind jedoch (vermutlich von der Nacht mit den ganzen Racern) so müde, dass sie nur kurz den Kopf heben und dann weiter schlafen.
Schließlich geht es den nächsten Anstieg hoch zum Boblja Pass. Ich beginne zu schieben was eigentlich auch mal eine ganz nette Abwechslung ist. Da auch der Downhill als ziemlich technisch angekündigt wurde behalte ich dies dann auch nach der Passhöhe bei, da ich einen Sturz auf jeden Fall vermeiden möchte. Als der Weg wieder fahrbarer wird fahre ich ein Stück mit einem anderen Racer zusammen und es tut gut, sich ein bisschen zu unterhalten. Leider fängt es recht bald an ziemlich heftig zu regnen und da meine Überschuhe ja immer noch fröhlich im Checkpoint vor sich hin gammeln sind meine Füße bald komplett nass. Aber irgendwie kommen wir auch über den nächsten Pass (er fahrend, ich schiebend) und schließlich hört es sogar kurz auf zu regnen und die Sonne kommt heraus.
Nach den letzten Tagen nur im Wald ist die Aussicht jetzt atemberaubend schön! Jetzt nur noch runter fahren nach Knin und dann ist dieser Abschnitt geschafft, denke ich. Aber schon bald fängt es wieder an zu regnen und der Weg bis zur Stadt zieht sich endlos. Als ich endlich ankomme bin ich komplett durchnässt und weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Ich sitze kurz in einem Imbiss, fahre dann zu Brian, der schon aufgeben will und sich daher ein Apartment genommen hat. Es gäbe tausend gute Gründe jetzt ebenfalls aufzugeben, aber ich möchte den zweiten Checkpoint einfach unbedingt erreichen! Und wie durch ein Wunder hört es da plötzlich auch auf zu Regnen und die Sonne kommt hervor.
Ich überlege also, wie ich es noch im Zeitlimit zum Checkpoint 2 schaffen könnte. Ich müsste heute noch mindestens 50 km und die nächsten drei Tage danach jeweils 150 km pro Tag fahren. Bei dem Gelände nicht wenig, aber durchaus machbar. Allerdings gibt es auf der weiteren Strecke erst mal keine Hotels mehr, weshalb ich die Nacht vermutlich draußen verbringen müsste. Nicht angenehm, aber auch nicht zu dramatisch. Also packe ich alles wieder zusammen, kaufe kurz ein und bin, noch bevor sich die Vernunft weiter zu Wort melden kann, wieder auf dem Weg. Und siehe da: Keine 10 km gefahren, da taucht plötzlich Brian hinter mir auf. Was für mich funktioniert, sollte ja eigentlich für ihn auch kein Problem sein, meint er schulterzuckend. Die Männer und ihr Ego, denke ich, freue mich aber natürlich sehr, dass er jetzt auch wieder mit dabei ist!
Mittlerweile haben sich die Wolken fast komplett verzogen und es geht über die Via Dinarica, ein Fernwanderweg über den Balkan. Ich telefoniere kurz mit einem Kumpel (ebenfalls begnadeter Ultracycler) und wir tauschen uns ein bisschen über die Vor- und Nachteile von Straße und Off-road aus. Beides hat seinen Reiz: auf der Straße kommt man natürlich viel schneller voran, dafür ist man jedoch selten wirklich abgeschieden und remote unterwegs.
Im Sonnenuntergang geht es dann einen weiteren Pass hoch, der aufgrund des vielen Schotters und steilen Anstiegen nur bedingt fahrbar ist. Trotzdem komme ich relativ bald über die Baumgrenze und mir wird klar, dass ich gar nicht mehr den Wetterbericht gecheckt habe. Mist! Am Himmel zeigen sich nämlich wieder dunkle Wolken und rund um mich herum gibt es keine Möglichkeiten sich unterzustellen. Gleichzeitig habe ich kein Handyempfang. Ich werde ein bisschen panisch und bin sehr erleichtert, als ich schließlich oberhalb weitere Racer sehe. Ich schließe zu diesen auf und und wir kämpfen uns ein Stück weiter den Berg hinauf.
Allerdings ist keinem von uns so richtig klar, wo wir heute Nacht schlafen werden. Die Überlegungen reichen von „ich fahre noch 60 km weiter über die bosnische Grenze“ bis hin zu „ich schlafe einfach gleich direkt ein wo ich bin“. Aber als wir gerade anhalten um einem anderen Fahrer mit einer Reifenpanne beizustehen ruft es plötzlich von oben: „Theres a Hut! With Fire!“. Wir fliegen förmlich die letzten Meter nach oben und sind unendlich erleichtert, als wir schließlich die Schutzhütte erreichen. Was für ein Traum!
Leider hat das mit dem Feuer nicht geklappt, aber trotzdem fühlt es sich gut an ein festes Dach über dem Kopf zu haben – wenn nur das laute Geschnarche der anderen nicht wäre 🤭
Tag 5: Von der Berghütte am Mt. Sinjal nach Donji Gvodzac (148 km, 3165 hm)
Ich bin immer noch total müde, als es am nächsten Tag weiter gehen soll. Ich lasse die anderen vorfahren und nehme mir ein paar weitere Minuten Zeit um den Sonnenaufgang zu betrachten und wach zu werden. Die Bergkulisse ist wunderschön! Aber es hilft nichts, irgendwann muss ich weiter (zu dem Zeitpunkt hat schon das Rennen gegen die Schnecke begonnen, die sich unaufhaltsam fortbewegt und quasi den virtuellen Besenwagen darstellt).
Allerdings mache ich mir zunehmend Sorgen um meine Hinterradbremse die stark schleift und quietscht und tatsächlich, die Bremsbeläge sind komplett runter und müssen getauscht werden. Dies nimmt natürlich auch wieder einiges an Zeit in Anspruch, aber ich bin extrem froh, dass ich vor der Abreise noch Ersatzbremsbeläge eingepackt habe. Ansonsten sonst wäre meine Tour an diesem Punkt wohl erst mal zu Ende gewesen….(an dieser Stelle auch noch mal ein großes Dank an den Trek-Store in Ulm!)
Auf einer Asphaltstraße geht es über die Bosnische Grenze und dann nach dem Erreichen der Passhöhe runter nach Livno. Dort kaufe ich eine SIM-Karte, frühstücke (bzw. brunche, mittlerweile ist es nämlich schon um die Mittagszeit) und fahre dann wieder weiter. Es geht über ein Hochplateau (Cingar Highlands), um mich herum nur weite Landschaften und tolle Ausblicke. Dazu perfektes Wetter, nicht zu warm, nicht zu kalt, kein Regen. Gegen Abend überkommt mich dann noch mal eine weitere Energiewelle und ich fliege förmlich im Sonnenuntergang über perfekt fahrbare Trails durch eine einzigartige Wiesenlandschaft. Es ist einfach wunderschön und ich bin komplett in meinem Element!
Nachdem ich einige Stunden so gefahren bin finde ich gegen halb 12 eine alte Schutzhütte mit einer Bank und baue dort mein Nachtquartier auf. Das erste Mal während dem Rennen kann ich richtig gut schlafen und wache erst wieder auf, als im Morgengrauen die ersten Racer vorbei fahren.
Tag 6: Von Donji Gvodzac nach Susteri (184 km, 3226 hm)
Die Fahrt im Sonnenaufgang ist wieder wunderschön. Ich versuche ein paar Bilder zu machen, aber die Stimmung lässt sich mit der Kamera nur schwer einfangen. Der Nebel steht tief, die ersten Sonnenstrahlen fallen auf den Boden, die Vögel zwitschern. Ich liebe diese Momente in denen die erst Welt erwacht, man selbst aber schon wieder am Radfahren ist.
Es geht weiter durch das Bergpanorama einen kleinen Trail nach oben und schließlich eine sehr lange Abfahrt runter nach Mostar. Auf diese Stadt war ich sehr gespannt und sie stellte für mich immer ein bedeutsames Zwischenziel dar. Und ich werde nicht enttäuscht! Überall sitzen Menschen beim morgendlichen Kaffeetrinken in einem der zahlreichen Bars und Restaurants. Die berühmte Brücke Stari Most lässt sich wunderbar fotografieren und die gesamte Bergkulisse ist total schön. Hier möchte ich unbedingt noch mal hin und mehr Zeit verbringen!
Ich decke mich kurz mit Lebensmitteln ein und mache mich dann noch auf die Suche nach neuen Bremsbelägen. Leider gibt es in ganz Mostar keine von SRAM, und so geht es eben ohne weiter. Rückblickend betrachtet hätte ich damals mehr Zeit in die Suche investieren (bzw. mir Alternativpläne überlegen sollen), aber in dem Moment wollte ich einfach nicht noch mehr Zeit verschwenden.
Es geht wieder einige Höhenmeter nach oben, mittlerweile steht die Sonne hoch am Himmel und es ist brütend heiß. Weit und breit gibt es keinen Schatten und ich bekomme ein bisschen Sorge, dass meine Wasservorräte nicht ausreichen. Ich beginne zu rationieren und komme rechtzeitig vor dem letzten Tropfen am nächsten kleinen Supermarkt an. Dort haben sich auch schon einige andere Racer versammelt, wir sitzen im Schatten und essen Eis, bevor es dann wieder weiter geht. Ich muss unbedingt noch ein paar Akkus laden, weshalb ich kurze Zeit später noch mal an einem Restaurant anhalte um etwas zu essen. Dies führt dazu, dass die anderen alle an mir vorbei fahren, gleichzeitig muss ich den nächsten Pass nicht mehr in der Hitze machen und kann die schöne Landschaft umso mehr genießen.
Als ich schließlich gegen 19 Uhr in dem Ort hinter dem Pass (Ulog) ankomme fahre ich an einem weiteren Restaurant vorbei. Eigentlich möchte ich nicht anhalten, aber die draußen sitzenden Gäste rufen und so unterbreche ich meine Fahrt natürlich noch mal kurz. Es handelt sich um ein deutsches Filmteam, welches eine Dokumentation über den gefährdeten Fluss in dieser Region dreht. Da ich die 30te Besucherin an diesem Tag bin werde ich direkt von den bosnischen Besitzern des Restaurants zum Abendessen eingeladen, aber das muss ich leider ablehnen, da ich noch ein Stück weiter fahren möchte. Das ist natürlich der große Nachteil an solchen Rennen, man steht ständig unter Stress und hat wenig Möglichkeiten auf spontane Einladungen zu reagieren.
Ein bisschen wehmütig mache ich mich also weiter auf den Weg, wobei mich die Sonnenuntergangsstimmung und später der Sternenhimmel schnell wieder in ihren Bann zieht. Ich höre einen Podcast und trete meditativ vor mich hin (da ich auch keinen Handyempfang habe gibt es keine Möglichkeit, sich von der Schnecke stressen zu lassen ;)) Schließlich geht es noch mal sehr viele Höhenmeter nach oben (das hatte ich beim Blick auf das Höhenprofil etwas unterschätzt), aber immerhin habe ich ganz oben kurz Empfang und sehe, dass einige andere Racer schon am Fuß des nächsten Anstiegs kampieren. Ich fahre also noch etwas weiter und erreiche schließlich das Nachtlager. Alle schlafen schon, also baue ich leise mein Biwack auf und schlafe ebenfalls bald tief und fest.
Tag 7: Von Susteri nach Popov Most/ Checkpoint 2 (127 km, 2853 hm)
Um halb fünf geht es gemeinsam mit einem anderen Rennteilnehmer weiter. Wir fahren den Pass hoch, der Untergrund ist gut und durch das Gespräch verfliegen die Höhenmeter nur so. Oben angekommen frühstücken wir erst mal und genießen wieder das Bergpanorama, bevor es dann wieder nach unten geht.
Der Weg zieht sich, es gibt immer wieder steile Gegenanstiege, aber insgesamt ist alles gut fahrbar und macht Spaß. Beim nächsten Resupply-Point fülle ich nur kurz meine Flaschen auf, bevor ich dann wieder weiter fahre und den nächsten Pass in Angriff nehme. Dieses Mal geht es auf groben Schotterwegen nach oben, was natürlich deutlich anstrengender ist als auf Asphalt oder feinem Gravel. Aber dank eines guten Podcasts verfalle wieder in einen guten Tretrhythmus und erreiche so relativ problemlos die Passhöhe. Dort wieder kurz Pause machen, was essen und auf die Abfahrt vorbereiten, da diese aufgrund des groben Untergrunds ziemlich viel Konzentration erfordert. Doch ich komme ohne Probleme nach unten und erreiche schließlich nach einem weiteren kleinen Hügel den lang ersehnten Checkpoint 2. Um 17:30 Uhr also mit noch ein bisschen Puffer zur Cutoff-Zeit um 24 Uhr.
Ich esse vier Teller Nudeln (danke an das Checkpoint-Team!) und nehme mir dann ein Zimmer in einem kleinen Hotel in der Stadt. Dort wasche ich mich und meine Sachen, checke noch mal mein Bike durch, beantworte ein paar WhatsApp-Nachrichten und falle in einen sehr tiefen Schlaf. Nach dem Sprint zum Checkpoint fühlt es sich fast so an als sei das Rennen geschafft und es ist nicht so leicht sich körperlich und mental darauf einzustellen, dass jetzt noch ein Abschnitt kommt. Aber dieser beinhaltet ja zum Glück ein besonderes Highlight: Den Durmitor Nationalpark!
Tag 8: Von Popov Most nach Dugi Do (131 km, 3561 hm)
Ich wache um fünf Uhr morgens auf und mein ganzer Körper tut weh. Ich mache ein paar Dehnübungen, packe mein Zeug zusammen und rolle dann zum Supermarkt, an dem ich mich erst mal mit einem Kaffee und 7-Days Croissants stärke. Danach geht es das Tal zurück entlang der Tara, einem Fluss der für seine vielen Wasserfälle und Stromschnellen bekannt ist und daher ein Paradies für Abenteuerlustige darstellt. Aktuell sehen die Raftingcamps jedoch relativ verlassen aus, vermutlich kommt die Haupt-Urlaubszeit erst noch.
Schon nach wenigen Kilometern überquere ich die Grenze nach Montenegro und dann beginnt auch schon der Anstieg in den Durmitor Nationalpark. Dieser ist gut fahrbar, erst auf Asphalt und dann auf flowigen Singletrails und es macht extrem viel Spaß (und übertrifft landschaftlich auch noch mal alles, was ich auf der Tour bis dahin gesehen habe).
Leider ändern sich relativ schnell sowohl die Untergrundverhältnisse als auch das Wetter, die Sonne steht mittlerweile im Zenit und es ist brütend heiß. Außerdem verlassen mich zunehmend die Kräfte. Ich wechsele mein T-Shirt auf ein langärmliges, versuche so viel wie möglich zu trinken und einfach immer weiter zu fahren (bzw. zu schieben). Schließlich erreiche ich eine Passstraße und dann geht es auf Asphalt über zwei Pässe bis in den relativ bekannten Skiort Zablijak. Dort komme ich mir in meinen dreckigen Klamotten im Vergleich zu den ganzen gut riechenden Touristen noch heruntergekommener vor, als ich ohnehin schon bin. Dementsprechend bin ich fast froh, als ich nach einem großen Abendessen wieder in die Wildnis aufbrechen darf.
Ich nutze den Telefonempfang um mit einer Freundin zu telefonieren und mir somit noch ein bisschen die Zeit zu vertreiben, bevor ich dann wieder in das Hinterland ohne Mobilfunkempfang fahre. Dort beginnt recht bald schon der nächste Anstieg. Ich sehe am Wegesrand, dass dort ein anderer Fahrer schon sein Nachtquartier aufgebaut hat und bin kurz versucht, mich auch dort hin zu legen. Aber ich möchte noch ein bisschen weiter fahren, da der nächste Tag sowieso schon herausfordernd genug werden würde.
Nach einigen Kilometern beginne ich jedoch schon mit meiner Entscheidung zu hadern, da der Weg zunehmend ausgesetzt ist und keinen Schutz mehr bietet. Als ich schließlich am Wegesrand eine alte Bauruine sehe, nutze ich die Chance, baue mein Nachtquartier auf und wie durch ein Wunder habe ich auch genau an diesem Ort Handyempfang. Großartig! Ich gebe meinem Mann kurz Bescheid, dass ich gut angekommen bin, esse noch meine aus Zablijak mitgebrachten Backwaren und schlafe dann unter dem Sternenhimmel ein. Es ist komplett ruhig und auch, wenn ich noch nie so abgeschieden geschlafen habe fühle ich mich total sicher.
Tag 9: Von Dugi Do nach Niksic (142 km, 3335 hm)
Ich wache um 3:30 Uhr auf und bin um vier Uhr dementsprechend schon wieder auf dem Bike. Im Race-Manual wird dieser Abschnitt als besonders Remote beschrieben und tatsächlich, es fühlt sich so an als gäbe es keine anderen Menschen auf dieser Erde. Ein cooles, aber zeitgleich auch etwas unheimliches Gefühl (da dies auch bedeutet: Wenn jetzt irgendwas ist bin ich komplett auf mich alleine gestellt).
Mein Weg führt mich direkt in eine Richtung, aus der immer wieder dumpfe Schussgeräusche zu hören sind und als ich schließlich in dem Jagdgebiet angekommen bin fühlt es sich tatsächlich so an, als würden die Patronen direkt an mir vorbei fliegen. Ich bin froh, als ich diese Passage endlich überwunden und nicht mehr auf das Zielglück irgendeines Jägers im Morgengrauen vertrauen muss.
Leider sind die Wege nicht gut fahrbar und ich muss immer wieder schieben. Vielleicht auch in Kombination mit Hunger und Kaffeedurst fange ich an alles etwas zu dramatisch zu sehen und bin froh, als ich endlich wieder zurück in die Zivilisation kehre. In dem Moment bin ich ernsthaft am überlegen aufzuhören, da ich nicht weiß, wie ich noch mal einen solchen Abschnitt (der darüber hinaus noch länger ist) überstehen soll.
Den Satz von Lael Wilcox im Hinterkopf – „You can always quit later“- gönne ich mir jedoch erst mal ein großes Frühstück auf einem unglaublich schönen Campingplatz (Camp Lipovo, große Empfehlung, da mal hin zu gehen!). Die Betreiber sind total nett, versorgen mich, muntern mich auf und versichern mir, dass der nächste Abschnitt machbarer ist. Gleichzeitig führen Wolken dazu, dass die Sonne nicht mehr ganz so erbarmungslos brennt und so beschließe ich, es doch noch mal zu versuchen.
Auf dem Weg zum nächsten Anstieg treffe ich auf ein Pair (bei dem Rennen darf man entweder alleine oder zu zweit starten), welches aufgrund eines abgebrochenen Schaltwerkes nur noch einen Gang an einem der Bikes hat und die daher alle Anstiege nach oben schieben müssen. Ich bin motiviert mit ihnen mitzuhalten und somit beginnt ein Katz-und Maus Spiel: In den Anstiegen überhole ich sie, in den Abfahrten überholen sie mich dann wieder. Wir kämpfen alle mit der Anstrengung und es fällt schwer, das einzigartige Panorama dabei richtig zu würdigen. Vielmehr geht es darum einfach immer weiter zu fahren (bzw. zu schieben), genug zu essen und zu trinken und zu hoffen, dass sowohl die Bremsen nicht aufgeben als auch das Wetter hält. Als die Sonne gerade am untergehen ist haben wir es schließlich geschafft – wir sind am letzten Off-Road Anstieg der Tour angekommen. Ab hier heißt es nur noch runterrollen nach Niksic, dort noch etwas essen und schlafen bevor es dann die letzten Kilometer bis zum Ziel geht.
Tag 10: Von Niksic nach Risan / Finish (71 km, 733 hm)
Der letzte Tag ist großartig. Es geht zwar noch mal einen kleinen Anstieg nach oben, jedoch durchgehend auf Asphalt und die Aussicht ist auch wieder wunderschön. Ich bin froh, diesen Abschnitt nicht noch in der Nacht zuvor gefahren zu sein, sondern nach ein bisschen Schlaf und im Tageslicht. Ich resümiere noch mal die Tour, versuche ordentlich in die Pedalen im Anstieg zu treten und gleichzeitig beim Bergabfahren möglichst langsam zu sein, um meine heruntergefahrenen Bremsen zu schonen. Und schließlich bin ich da, der so lange herbeigesehnte Blick über die Bucht von Kotor öffnet sich.
Ich genieße kurz den Moment, mache ein paar Bilder und dann geht es die Serpentinen runter zum Ziel. Dort werde ich herzlich empfangen, es gibt viele Glückwünsche, Schulterklopfer und natürlich die obligatorischen Nudeln. Wie auch beim Abschluss des Three Peaks Bike Race kann ich es noch gar nicht richtig fassen und bin anstelle von überschäumenden Emotionen eher relativ leer und gefühlsneutral. Auch hier kommt die Realisation darüber, was ich alles geschafft habe erst einige Tage später.
Noch in Radklamotten hüpfe ich ins Meer, dusche, checke dann in mein Apartment ein und schlafe erst mal eine Runde, bevor es am Abend zur Beachparty geht. Die Stimmung ist großartig und ich genieße es die Zeit mit den anderen zu verbringen und Geschichten auszutauschen. Genau diese Momente machen den Reiz von Ultradistanz-Rennen aus, das gemeinsame Leiden und gemeinsame erleben von Höhenflügen.
Es ist ein bunter Mix an unterschiedlichsten Leuten: Von jungen Menschen, die gerade ihr Studium beendet haben bis hin zu älteren Herrschaften, die schon einige Jahre mehr Lebenserfahrung haben. Von begnadeten Radfahrern bis hin zu Bikeneulingen wie mir. Uns alle verbindet der Hang zum Extremen und der Wunsch die Grenzen neu auszuloten. Was allerdings fehlt sind die Frauen: Auch bei diesem Rennen sind von über hundert Teilnehmern nur 6 gestartet. Ich hoffe wirklich sehr, dass sich dies in Zukunft ändert und sich mehr Frauen auch für solche Events anmelden. Denn die Teilnahme an diesem ist wirklich eine großartige Erfahrung und nichts, was ausschließlich Männern vorbehalten sein sollte! 🙂