Neben dem Training und der Routenplanung war ein wichtiger Bestandteil meiner Vorbereitung für das Three Peaks Bike Race die Wahl der passenden Ausrüstung. Denn während ich bis jetzt vor allem auf klassischen Radtouren mit großen Gepäcktaschen unterwegs war, wollte ich mich bei diesem Abenteuer auf das Wesentliche reduzieren. Statt einem Zelt oder Biwacksack hatte ich daher nur eine dünne Picknickdecke dabei und statt mehreren Wechselklamotten nur jeweils ein Fahrrad- und Schlafoutfit.
Da das Three-Peaks dementsprechend auch mein erstes Ultradistanz-Rennen war, musste ich noch einige Ausrüstungsgegenstände kaufen (was natürlich die Kosten für so ein Rennen dann noch mal deutlich in die Höhe treibt…). Ich entschied mich dafür an Investitionen wie dem Schlafsack, der Isomatte oder der Bib-Short nicht zu sparen, dafür jedoch bei den Gepäcktaschen und dem Trikot auf etwas günstigere (aber auch nicht unbedingt schlechtere!) Modelle zurück zu greifen. Hier ist einmal die komplette Auflistung meiner Ausrüstung. Ich habe jeweils verlinkt, wo ich die Sachen gekauft habe, hierfür bekomme ich jedoch nichts. Kaufe sie also gerne wo du magst (und optimalerweise auch lokal oder gebraucht).
Ein wirklich gutes Einsteiger-Rennrad! Ich hatte es mir schon vor einigen Jahren gekauft und damit nie Probleme gehabt – gute Sitzposition und nahezu unverwüstliche Komponenten.
Keine Scheibenbremsen und sehr dünne Reifen (da wir fast nur gutes Wetter hatten war das okay, bei schlechterem Wetter vermutlich etwas problematischer).
Werkzeugbox (von Decathlon, passt in den Getränkehalter)
– Multitool, Luftpumpe, Ersatzschlauch und Reifenheber (kein Schaltauge ;))
Minimalausstattung, die in Anbetracht der hohen Fahrradladen-Dichte vollkommen ausgereicht hat. Offroad sieht das vermutlich etwas anders aus, da würde ich etwas mehr mitnehmen.
Klein und leicht mit LED- Ladestandsanzeige (sehr praktisch, da man so immer genau weiß, wie viel Energie man noch hat).
Die Stromversorgung war auf der Tour der kritische Punkt, da ich stets Handy, Wahoo, Fahrradlichter und Tracker laden musste. Zukünftig würde ich daher in einen Dynamo investieren.
Für die Vorbereitungstouren habe ich mit meiner Garmin Forerunner 945 immer sehr gut navigiert, für das Race wollte ich dann aber doch einen Fahrradcomputer haben. Der Verleih lief total problemlos und war ziemlich günstig (ca. 30 Euro für 1 Monat).
Leihen lohnt sich, wenn das Budget begrenzt ist. Bei wem das keine Rolle spielt (oder wenn man eh schon immer mal einen Fahrradcomputer haben wollte), empfehle ich den Wahoo direkt zu kaufen. Sehr gutes Navigationsgerät!
Fahrradlampen
No-Name Produkte die ich noch daheim hatte.
Ich habe hier gespart und das sollte man auf keinen Fall tun! Großer Sicherheitsaspekt!
Extrem praktische und vielseitig einsetzbare Halterung für eine Lampe am Helm. Diese würde ich auf jeden Fall empfehlen, da man damit auch mal den Wahoo ablesen oder in eine Ecke leuchten kann.
Mini-Schloss
Kann man vermutlich mit einer Zange aufbrechen, aber um das Fahrrad mal kurz vor dem Supermarkt stehen zu lassen reicht es auf jeden Fall.
Toller Schlafsack! Lässt sich sehr klein verstauen und ist trotzdem total warm und gemütlich.
Für die Bedingungen bei dem Rennen hätte vermutlich auch ein dünnerer Schlafsack gereicht. Ich friere nachts jedoch schnell und wollte daher nichts riskieren.
Beste Investition! Schützt die Isomatte und den Schlafsack vor Schmutz, wenn man ohne Zelt biwakiert und ist gleichzeitig wirklich klein und leicht.
Da man bei dem Three Peaks fast immer die Möglichkeit hat, bei schlechtem Wetter in einem Hotel oder überdachten Unterstand zu übernachten kann man das Rennen (in meinen Augen) sehr gut ohne Zelt oder Biwacksack fahren.
Ich bin mit Kontaktlinsen gefahren und hatte da keine Probleme. Habe allerdings für das Rennen etwas hochwertigere mit einer längeren Tragezeit gekauft und ein Paar als Ersatz dabei gehabt.
An der Bin-Short würde ich definitiv nicht sparen. Insbesondere eine Schnalle ist sehr viel wert und das Sitzpolster sollte wirklich gut zum Hintern und Sattel passen!
Die Bib-Short von Assos erwies sich leider als nicht so robust (Die Träger sind z.B. zum Teil schon nach wenigen Tagen Nutzung eingerissen).
Trikot von AGU
Günstig und robust.
Ist halt kein Rapha 😉 Und nächstes Mal würde ich noch ein Wechseltrikot einpacken.
Regenjacke von AGU
Sehr kleines Packmaß, günstig, hochwertig verarbeitet.
Leider nicht wirklich wasserdicht und atmungsaktiv. Hier würde ich zukünftig eher in hochwertigere Jacken wie z.B. die Gore Shakedry investieren.
Armlinge und Beinlinge
Würde ich auf jeden Fall wieder mitnehmen. Insbesondere für Passabfahrten oder wenn es morgens noch kalt ist sind die echt super!
Icebreaker Micropuff-Jacke
Habe ich schon seit vielen Jahren und leistet mir immer noch gute Dienste.
Absolute Lieblingsjacke, die den hohen Kaufpreis auf jeden Fall wert ist! Lässt sich klein verstauen und hält sehr warm.
Sportleggins + T-Shirt
Dienten als Wechselklamotten für die Nacht und würde ich auf jeden Fall wieder mitnehmen. Das tut wirklich gut, die verschwitzten Sachen abends mal ausziehen zu können.
Sehr praktisch für die Trinkflaschen, wenn diese bei Verwendung einer Rahmentasche nicht mehr in den Rahmen passen.
Die mitgelieferte Befestigung hält nicht, daher lieber mit ein paar Schrauben und Muttern nachhelfen.
Ausrüstung: Fazit
Was die Ausrüstung für ein Ultradistanz-Rennen angeht, so kann man natürlich viele Stunden in die Optimierung investieren: Welcher Schlafsack bietet den besten Komfort bei geringstem Packmaß? Soll ich lieber die Rahmentasche von Marke X oder Ynehmen? Welche Bib-Short passt mir am Besten? Wenn man wie ich nicht gesponsert wird (und ein begrenztes Budget zur Verfügung hat), muss man natürlich priorisieren und hier und da auch Abstriche machen. Insgesamt versuche ich stets, vorhandenes Material zu nutzen und wenn das nicht geht möglichst hochwertige, langlebige Produkte zu kaufen, die gut in Testberichten abschneiden und/oder viele positive Rezensionen haben.
Rückblickend kann ich sagen, dass ich mit meiner Ausrüstung für das Three Peaks Bike Race wirklich sehr zufrieden war und nur minimale Anpassungen bei der nächsten Tour machen würde. Einen kompletten Rennbericht gibt es hier. Und falls du noch Fragen zu der Ausrüstung oder dem Rennen allgemein hast, schreib mir gerne eine Mail!
Vor dem Start des Rennens bin ich ziemlich aufgeregt. Werde ich es bis nach Barcelona schaffen? Was ist, wenn ich Schmerzen bekomme? Was ist, wenn mein Rad kaputt geht?
Im Zug von München nach Wien sind in meinem Abteil noch drei andere Rennradfahrer:innen, deren Räder verdächtig nach Ultracycling-Teilnahme aussehen. Mit einer Fahrerin komme ich näher in Kontakt und wir reden ein bisschen über unsere Vorbereitung und die geplante Strecke. Anders als bei anderen Events, bei denen die Route fest geplant ist, muss beim TPBR jede:r Fahrer:in die Strecke zwischen den obligatorischen Checkpoints und Parcours selber planen. Da der zweite Parcour in beide Richtungen befahren werden durfte, ergaben sich in diesem Jahr zwei große Routenoptionen: Entweder von Norden nach Süden und dann über Italien oder von Süden nach Norden und dann über die Schweiz. Mein Plan war eigentlich von Anfang an Option 1 gewesen, doch schon in den letzten Tagen vor dem Rennen hatte ich zunehmend angefangen daran zu zweifeln. Als dann die andere Teilnehmerin ebenfalls erzählt, dass sie über die Schweiz fährt, frage ich mich erneut, ob ich das nicht auch hätte machen sollen. Während der restlichen Zugfahrt versuche ich diese Strecke also noch notdürftig auf dem Handy zu planen, aber so richtig gut klappt das nicht.
In Wien angekommen geht es dann erst mal zum Bike-Check und wir bekommen unsere Cap und den Tracker. Die Stimmung ist gut, auch, wenn alle ziemlich aufgeregt sind. Mit einem Teil der Gruppe verabrede ich mich zu einem gemeinsamen Abendessen. Wir reden ein bisschen über unsere Vorbereitungen zu dem Rennen und womit wir uns so verrückt gemacht haben. Alle sind total nett und es herrscht überhaupt keine Konkurrenzstimmung. Und ich finde sogar jemanden, der genau die gleiche Route fahren möchte wie ich – endlich! Ansonsten scheint aber doch ein Großteil über die Schweiz zu fahren, mir wird jedoch Mut gemacht, jetzt nicht noch mal alles über einen Haufen zu werfen, sondern wie geplant zu fahren – was sich hinterher auch als genau die richtige Entscheidung herausstellt.
Trotz der guten Gesellschaft verabschiede ich mich früh und fahre zu meinem Hotel, da ich in der Nacht zuvor kaum geschlafen hatte und ziemlich müde bin.
Tag 1: 09 Juli 2023 – Wien nach Göstling (Österreich) (178 km, 2.560 hm)
Am nächsten Morgen wache ich sehr gut ausgeschlafen aus und mache mir erst mal einen Kaffee. Anschließend stelle ich meinen Wahoo und die Garmin Uhr auf minimalen Stromverbrauch ein und stelle sicher, dass alle Routen geladen sind. Anschließend geht es los Richtung Innenstadt, ich stärke mich noch mit einer Pizza und fahre dann zum Startpunkt. Auch hier herrscht wieder eine sehr nette und unterstützende Stimmung, es wird ein bisschen über das Equipment gefachsimpelt und dann geht es um 11:45 Uhr endlich los!
Am Anfang fährt das Feld eng zusammen, je mehr km es werden desto stärker zieht es sich jedoch auseinander da man sich bei den unzähligen Auf- und Abfahrten schnell verliert. Außerdem ist es unfassbar heiß und ich frage mich wirklich, wie ich die ganze Tour überstehen soll.
Aber irgendwie komme ich voran und erreiche gegen 18 Uhr das Ende von Parcour 1. Eigentlich hatte ich geplant hier schon ein Schlafplatz zu suchen, aber ich fühle mich noch fit und fahre daher weiter (Richtung Norden, womit die Routenwahl endgültig besiegelt ist). Nach ca. 20 km werde ich von einem anderen Rennteilnehmer überholt und wir fahren ein Stück zusammen und quatschen, bis ich mir schließlich eine Bushaltestelle als Schlaflager aussuche. Die ist perfekt, bis auf eine offene Seite komplett geschlossen und mit einer Bank, sodass ich relativ sichtgeschützt schlafen kann. Besser hätte meine erste Übernachtungsgelegenheit draußen ohne Zelt nicht sein können! Einziger Nachteil sind die vielen Autos, aber ich finde trotzdem genug Schlaf.
Tag 2: 10 Juli 2023 – Göstling nach Ellmau (Österreich) (266 km, 2.966 hm)
Gegen 5 Uhr morgens klingelt mein Wecker und ich packe alles zusammen und fahre weiter – bis zum nächsten Supermarkt, der praktischerweise schon geöffnet hat und mit Toilette, Bäckerei und einer Bank vor dem Markt wirklich perfekt ausgestattet ist. Nach einer kurzen Rast fahre ich gestärkt weiter. Es geht durch mehrere Naturparks in der Steiermark und die Landschaft ist wirklich unfassbar schön. Immer wieder werde ich überholt (oder ich überhole) ein Pair, das ungefähr meine Geschwindigkeit fährt. Beide sind schon deutlich älter als ich und um einiges fahrraderfahrener, aber wir sind uns auf Anhieb sympathisch und ich genieße es sehr, ab und zu ein bisschen reden zu können (Ich darf nicht im Windschatten fahren, aber ein bisschen zusammenfahren und unterhalten ist okay). An einer recht viel befahrenen Straße biegen die beiden nach rechts ab und ich folge, was mit einem ziemlichen Umweg und deutlich mehr Höhenmetern quittiert wird. Etwas gefrustet von diesem Umweg mache ich erst mal Rast in einem Supermarkt und esse ein Eis, bevor es dann die ganzen Höhenmeter wieder herab geht…Mittlerweile hat sich das Wetter auch geändert, der Himmel ist voll mit Wolken und ich entkomme gerade noch so dem Gewitter. Hinter Bischofshofen geht es die Hochkönig-Straße entlang und ich merke das erste Mal, dass meine Übersetzung insbesondere bei dem Gepäck für manche Steigungen nicht ganz passend ist. Aber irgendwie schaffe ich es über beide Pässe bis nach Saalfelden am Steinernen Meer, wo ich mich erst mal im McDonalds mit Burger und Pommes stärke (was von manchen meiner dotwatchenden Bekannten mit Erstaunen kommentiert wird ;)).
Gestärkt geht es weiter, wobei ich langsam nach einer passenden Bleibe für die Nacht Ausschau halte. Ich frage zwei andere Radler, ob sie von einem guten Biwackplatz wüssten, und tatsächlich gibt es einen nur 10 km entfernt. Auf dem Weg dorthin unterhalte ich mich noch mit den Beiden, er ist Ultraläufer und kann daher ganz gut nachvollziehen, wie sich die Rennsituation für mich anfühlt. Der Platz ist ein öffentlicher Park, zu dem aber sogar eine Toilette mit Stromanschluss gehört. Perfekt! Ich ziehe mich um, baue im Dunkeln mein Nachtlager auf und habe eine sehr ruhige und erholsame Nacht unter dem Sternenhimmel.
Tag 3: 11. Juli – Ellmau nach Sankt Leonhard in Passier (Alpen) (224 km, 2219 hm)
Morgens ist es unfassbar gemütlich in meinem Bivi und ich möchte gar nicht aufstehen. Aber ein Blick auf den Traker zeigt mir, dass alle anderen schon längst am Weiterfahren sind, und so quäle ich mich aus meinem gemütlichen Schlafsack, packe alles zusammen und rolle in das Inntal hinein. In Innsbruck gehe ich erst mal einen Kaffee trinken und fahre dann weiter nach Ötz, zum Start des Parcour 1. Ab dort geht es erst mal hoch nach Sölden, wo ich gegen 17 Uhr ankomme und noch kurz meine Süßigkeitenvorräte aufstocke, bevor es dann weiter zum Timmelsjoch geht. Der Anfang ist zäh, aber hier hilft mir meine Fantasie und die Fähigkeit, sich mental in eine andere Situation hineinzuversetzen. Es bringt nix die ganze Zeit nur zu denken: Wie weit ist es noch? Ich kann nicht mehr! Warum habe ich nur so eine blöde Übersetzung? Vielmehr besteht der Trick darin, sich gedanklich mit irgendeiner anderen Sache zu beschäftigen und so die körperliche Anstrengung immer mehr zur Nebensächlichkeit werden zu lassen.
Glücklicherweise sind außerdem kaum andere Autos unterwegs und ich habe das Timmelsjoch fast ganz für mich allein. Nach der Mautstation geht es ein Stück runter und dann doch noch mal ziemlich lang bergauf, was ich total unterschätzt hatte. Gleichzeitig verdunkelt sich der Himmel und es sieht aus, als würde es gleich regnen. Alles etwas blöd und ich freue mich, als ich eine andere Racerin treffe. Gemeinsam quälen wir uns den Rest des Passes hoch, machen oben ein paar Fotos und treffen noch mehr Racer. Nach einer kurzen Rast geht es auf der anderen Seite runter und ich bin froh, Armlinge und Beinlinge dabei zu haben, da es nun doch recht kühl ist.
Um ca. 21 Uhr komme ich am Campingplatz in Sankt Leonhard in Passeier an. Dort treffe ich auf sehr interessierte andere Radreisende, die ganz begeistert von der Tour sind. Ich versuche, meine Erschöpfung zu verbergen und vielmehr auch begeistert zu erscheinen. Das funktioniert auch besser, nachdem ich mein Schlaflager im Aufenthaltsraum aufgebaut und geduscht habe. Leider schlafe ich ziemlich schlecht, da meine Luftmatratze die ganze Zeit auf dem glatten Boden hin und her rutscht…
Tag 4: 12. Juli – Sankt Leonhard in Passier nach San Giovanni di Fassa (Dolomiten) (149 km, 3.710 hm)
Am nächsten Morgen stehe ich gegen 06 Uhr auf, packe mein Zeug zusammen und gönne mir ein sehr großes (und unglaublich teures) Frühstück in einer Bäckerei. Aber ich bin einfach viel zu hungrig und um die Uhrzeit hat leider noch kein Supermarkt auf.
Gestärkt geht es dann den Jaufenpass hoch, relativ schnell leider in strömendem Regen. Und die Serpentinen wollen einfach nicht enden! Schließlich bin ich in komplettem Nebel, es fängt an zu donnern und ich habe keine Ahnung, wie weit es noch bis zur Passhöhe ist. Ich frage einen Autofahrer, der sagt noch ca. 500 m und tatsächlich – da ist das Passschild. Ein Glück! Triefend nass gehe ich in das kleine Café, ziehe mich komplett um, kuschele mich in meinen Schlafsack und stärke mich mit einer Tasse Kaffee. Verrückt, wie nah extreme Hitze (am Tag zuvor) und Eiseskälte zusammen liegen 😅
Aber es hilft ja nicht, ich muss den Pass wieder runter und unten kommt dann auch die Sonne raus. Ich lasse alles trocknen, ziehe mich wieder um (leider sind meine Schlafklamotten jetzt auch dreckig…) und fahre weiter. Ich habe echt keine Lust mehr. Aber mein nächstes Ziel ist: eine Pizza in Brixen! (das ist auf so einer langen Tour überhaupt der Gamechanger: Man muss sich einfach immer von Ziel zu Ziel hangeln, die im Idealfall immer nur so 20-30 km voneinander entfernt sind). Brixen ist voll mit gut riechenden Tagestouristen, und ich komme mir noch dreckiger vor als ich sowieso schon bin. Aber so etwas wird einem irgendwann auch immer egaler. Gestärkt mit Pizza und Pommes geht es anschließend weiter in Richtung Dolomiten. Dort gibt es wieder ein paar fieße Anstiege, aber aufgrund der späten Stunde bin ich fast alleine, die Wolkenkulisse ist unglaublich und lässt alle Anstrengungen des Tages vergessen. An der Passhöhe angekommen buche ich mir ein Hotel in 20 km Entfernung, lasse mich den Berg wieder runter rollen, checke ein und schlafe nach dem Duschen sehr schnell ein.
Tag 5: 13. Juli – San Giovanni di Fassa nach Mailand (288 km, 1.165 hm)
Am Morgen schlafe ich bis sieben Uhr, gönne mir noch das Frühstücksbuffet und fahre dann gestärkt weiter. Die Etappe verläuft raus aus den Dolomiten und rein in eine schön bewachsene Schlucht mit kleinen italienischen Dörfchen. Es geht jedoch (anders als erwartet) nicht nur bergab, sondern leider auch immer wieder bergauf. Allerdings ist das Ziel der ersten Etappe, der Garadasee, sehr verlockend. Und schließlich bin ich da! Es kommen viele andere Radtouristen an, für sie ist der See das Endziel der Reise und dementsprechend gut ist die Stimmung. Ich gönne mir ein Mittagessen mit direktem Blick auf den See und sehe auf dem Tracker, dass sich das Pair, mit dem ich zuvor immer wieder kurz gefahren bin, nähert. Ein guter Grund, noch ein bisschen länger sitzen zu bleiben! Und tatsächlich kommen die beiden kurz nach mir an und gemeinsam trinken wir noch einen Kaffee, bevor es dann wieder alleine weiter geht. Die Straße direkt am Gardasee ist leider ziemlich stark befahren und es geht immer wieder durch Tunnel – richtig gefährlich, zumal die Autofahrer echt rücksichtslos überholen.
In einem der längsten Tunnel fahren noch drei andere Radler hinter mir her, als es plötzlich beim Überholen eines Motorradfahrers einen Knall gibt. Ich möchte nur noch raus aus dem Tunnel und fahre weiter, die Gruppe bleibt zurück und mich plagt das schlechte Gewissen. Was, wenn etwas ernsthaftes passiert ist? Hätte ich auch anhalten sollen? Später erfahre ich, dass es sich nur um eine Reifenpanne gehandelt hat und bin erleichtert.
Trotzdem hat mich die Aktion irgendwie mitgenommen und der ganze Verkehr enorm gestresst. Ich mache immer wieder kurze Pausen, beschließe dann aber, einmal richtig anzuhalten und auch etwas zu essen. Dabei telefoniere ich kurz mit meinem Mann, was sehr gut tut. Als ich anschließend wieder weiterfahre, ist nicht nur meine Stimmung besser, sondern auch der Verkehr deutlich gemäßigter. Mit Anbruch der Dunkelheit halte ich bei einem McDonalds, unschlüssig, wo ich die Nacht verbringen soll. Ich lade meine Geräte und treffe auf einen anderen Racer, der allerdings schon aus dem Rennen ausgeschieden ist. Gemeinsam radeln wir durch die Nacht nach Mailand, er ist erst 19 Jahre alt und gerade mit der Schule fertig. Wir fachsimpeln ein bisschen über unser Equipment und tauschen uns über die bisherigen Erfahrungen aus.
In Mailand angekommen buche ich mir spontan ein Hostelzimmer mit 24 h Rezeption. Alles ein bisschen dubios, komische Rezeption, Zimmer nur mit Männern, aber wieder mal bin ich so müde, dass ich mir um mich oder das Bike keine großen Sorgen machen kann und nach dem duschen und Geräte laden um ca. 1 Uhr nachts sofort einschlafe.
Tag 6: 14. Juli – Mailand nach Oulx (Susatal) (238 km, 1.116 hm)
Nach vier Stunden Schlaf wache ich auf, packe schnell alles zusammen und fahre durch die noch relativ ruhige und leere Stadt (am Abend bei meiner Ankunft war noch unglaublich viel los…).
Gerade rechtzeitig finde ich ein tolles Café und frühstücke erst mal ausgiebig. Als ich damit fertig bin sehe ich: Reifen platt. Mist! Aber kann man nix machen. Ich wechsele den Schlauch und kann relativ schnell weiterfahren. Es geht durch unspektakuläre Landschaften und sehr verlassene Dörfer – Po Ebene halt. Insgesamt ist aber alles deutlich weniger schlimm als gedacht. Leider fängt es bald an zu regnen und ich bin schnell ziemlich nass. In einem Dorf – ich dachte schon, dass ich die einzige Person bin, die diese verwinkelte Route nimmt – treffe ich auf einen anderen Racer, der eine Reifenpanne hat. Er bekommt einfach den Schlauch nicht auf den Mantel! Ich kann nichts machen, außer danebenzusitzen und ihn mental dabei zu unterstützen und zu beruhigen. Schließlich schafft er es und ich freue mich unglaublich mit ihm.
Es geht weiter den Weg Richtung Turin. Dabei herrscht ein Mix aus Regen und Sonne, ich treffe immer wieder auf andere Racer und ingesamt ist die Strecke echt angenehm. In Turin angekommen esse ich in einem kleinen, italienischen Restaurant zu Mittag (Frühstück in Mailand, Mittagessen in Turin^^) und besuche noch einen Fahrradladen, in dem ich einen neuen Schlauch und ein neues Vorderlicht kaufe. Ich erzähle, dass ich noch bis Besançon kommen möchte, woraufhin mir der Mann versichert, das sei kein Problem, im Pass gebe es immer Rückenwind. Das motiviert mich total und ich merke wieder mal wie gut es tut optimistische Menschen zu treffen. Und tatsächlich – es herrscht richtig schöner Rückenwind und bald bin ich im Dorf vor der Passhöhe. Dort beginnt dann allerdings ein sehr unangenehmer Anstieg, einfach, weil die Straße so extrem befahren ist. Ich komme emotional an meine Grenzen und muss mehrmals an den Rand fahren, um mich zu beruhigen, bis ich endlich in der nächsten Stadt ankomme. Auf Google Maps sehe ich, dass es etwas weiter im Dorf eine Kirche mit einem schönen Vordach gibt, und tatsächlich eignet sich dieses perfekt zum Schlafen. Lediglich die stündlich schlagenden Kirchenglocken sind etwas nervig…
Tag 7: 15. Juli – Oulx nach Andance (Frankreich) (238 km, 2.533 hm)
Ich wache in dem Moment auf, in dem ein Auto weg fährt – und finde mein Handy nicht mehr. In einer kurzen Schocksekunde durchsuche ich alles, und finde es unter meiner Isomatte. Ein Glück!
Ich packe alles zusammen und beginne um halb fünf morgens den Pass weiter hoch zu fahren. Der Verkehr ist jetzt zum Glück gemäßigt und die Kulisse bei dem Sonnenaufgang wunderschön! Bald bin ich mittendrin in den französischen Alpen und nach unzähligen Serpentinen kommt dann auch endlich der verkehrsfreie Tunnel, der mir von dem Mann im Fahrradladen versprochen wurde. Während die Autofahrer rechts durch den neuen Tunnel fahren, geht es für Radler links durch den alten. Das ist dann so früh morgens doch ein bisschen gruselig, gute Horror-Szenen Kulisse. Aber natürlich passiert nix dergleichen, ich radel durch den Tunnel und bin mitten in einem verschlafenen Ski-Dorf. Ab dort muss ich mich nur noch den Pass runter rollen lassen bis nach Besançon. Da ich bei der Abfahrt zunehmend Schmerzen im Rücken und noch keinen Kaffee getrunken habe, bin ich ziemlich schlecht gelaunt. Aber die erste französische Boulangerie rettet mich, ich verschlinge Unmengen an leckeren Backwaren, gehe noch mal rein, bestelle noch einen Kaffee und noch mehr essen. Aber meine Motivation ist trotzdem noch nicht wieder da. Zum Glück treffe ich beim Aufstieg zum nächsten Pass einen anderen Racer und gemeinsam läuft alles gleich viel besser. Außerdem sind die vielen Tages- Rennradfahrer und der abgetrennte Radweg auf der Straße unglaublich motivierend.
Auf der Passhöhe fülle ich kurz meine Flasche auf und ziehe meine Armlinge und Beinlinge an, bevor es dann runter nach Grenoble geht. Je tiefer ich komme, desto größer wird jedoch die Hitze (man hatte richtig das Gefühl in eine Hitzefront einzutauchen!).
In Grenoble suche ich mir erst mal einen Supermarkt, decke mich mit Essen und Trinken ein und mache eine ausgedehnte Rast mit Mittagsschlaf. Erst knapp 2 h später geht es dann weiter Richtung Parcours 2 mit leider ziemlich viel Gegenwind.
Erst spät erreiche ich einen Campingplatz in Andance (die französischen Dörfer sind wirklich wie ausgestorben und Hotels findet man hier fast keine) und die Pforte ist leider schon zu, aber der Mann aus dem Gastronomiezelt lässt mich netterweise doch noch dort schlafen. Ich bekomme eine Parzelle mit einem Pavillon, worunter ich mein Schlafquartier aufbaue und kurze Zeit später erschöpft einschlafe.
Tag 8: 16. Juli – Andance zum Puy Mary (Massif Central) (254 km, 4.467 hm)
Als ich aufwache möchte ich gar nicht aufstehen, so gemütlich ist es unter meinem Verschlupf. Aber auch heute bringt mich der Blick auf den Tracker wieder in Schwung. Ich packe alles zusammen und fahre weiter – bis zum nächsten Ort mit einer Boulangerie, das habe ich natürlich am Abend noch ausgecheckt, wo es die gibt. Als ich kurz danach durch ein Dorf fahre, höre ich plötzlich meinen Namen – und tatsächlich, ich werde von meinem Lieblings-Pair auf ein Kaffee abgefangen. Wir tauschen uns kurz über die aktuellen Befindlichkeiten aus und ich erfahre, dass sie heute noch bis über den Puy Mary wollen – das ist dann wohl auch mein Plan für den Tag 😀
Gestärkt geht es weiter über unzählige bergauf und bergabs, bis ich endlich am Start des Parcour 2 bin und mit dem Anstieg hoch zum Puy Mary beginne. Die Landschaft ist anders als in den Alpen und Dolomiten, sie erinnert ein bisschen an eine Mischung aus dem Schwarzwald und den Allgäuer Alpen. Als ich in einem Dorf vorbei komme stehen total viele Leute an der Straße, die alle jubeln und meinen Namen rufen – bis heute habe ich noch nicht rausgefunden, wer das initiiert hat, aber es war unglaublich cool! Ich fahre weiter, die Sonne geht unter und die Stimmung ist einfach wunderschön. Und schließlich bin ich oben auf dem Pass. Checkpoint 2 ist auch geschafft! Unfassbare Stimmung, tolle Atmosphäre, mal wieder sind alle Tiefs vergessen! Meinen Plan, oben zu biwakieren verwerfe ich aber aufgrund der Kälte. Ich fahre noch ein Stück bergab, was im Stockdunkeln nicht so spaßig ist und lege mich sobald ich die erste Siedlung erreicht habe hinter ein Haus auf eine Wiese. Über mir ist nur der Sternenhimmel. Es ist wunderschön, aber auch ziemlich kalt und ich bin froh über meinen warmen Schlafsack.
Tag 9: 17 Juli – Puy Mary nach Toulouse (260 km, 1.646 hm)
Ich schlafe mal wieder sehr tief und wache erst mit dem Weckerklingeln wieder auf. Da es schon dämmert packe ich schnell meine Sachen zusammen und lasse mich den restlichen Hang runter rollen, bis ich endlich im nächsten größeren Dorf ankomme. Dort suche ich eine Boulangerie, wobei ich auf einen anderen Rennteilnehmer treffe, der ebenfalls die perfekte Kombi aus Café und Boulangerie zu schätzen weiß. Wir tauschen uns über unsere Routen aus (er ist über den Norden gefahren) und wie so unsere Nacht war. Gemeinsam fahren wir noch ein Stück zusammen weiter und quatschen ein bisschen. Auf der Abfahrt trennen sich jedoch unsere Wege, ich bin einfach deutlich langsamer als er. Schließlich erreiche aber auch ich das Ende von Parcour 2 und beginne mit dem langen (und etwas langweiligen) Abschnitt nach Toulouse. Es geht zuerst durch die Natur, aber dann relativ lang einfach nur auf einer Bundesstraße entlang – bei brutaler Hitze und Sonnenschein. Ich radele und radele. In einem Dorf suche ich nach Essen, finde jedoch nichts (Sonntage und Montage sind essenstechnisch ziemlich schwierig in Frankreich, wie ich später erfahre). Als ich eine Frau nach Einkaufsmöglichkeiten frage, lädt sie mich kurzerhand zu sich ein und richtet mir Brote. Das Haus ist bis in den letzten Winkel zugestellt und wirkt total gemütlich. Ich freue mich sehr über die Begegnung und gestärkt geht es eine halbe Stunde später weiter Richtung Toulouse. Dorthin geht es über Montabaur und dann einen ewig langen, schnurgeraden Kanalweg entlang. Mit Anbruch der Dunkelheit rolle ich in die Stadt ein, fahre erst mal zum falschen Hotel (warum gibt es auch zwei vom gleichen Anbieter in dieser Stadt?!) und nutze den Umweg jedoch, um mir die Stadt noch etwas anzuschauen und was zu essen zu holen. Glücklich checke ich gegen halb 11 in das richtige Hotel ein, wasche meine Kleidung und mich, esse und schlafe kurze Zeit später wieder vollkommen erschöpft ein.
Tag 10: 18. Juli – Toulouse nach Boutx (Pyrenäen) (168 km, 2.561 hm)
Am Morgen überlege ich kurz, ob ich noch das Frühstücksbuffet mitnehmen soll, entscheide mich dann aber doch für den etwas früheren Aufbruch und das letzte Frühstück in einer französischen Boulangerie. Anschließend kaufe ich noch ein paar Snacks im Supermarkt und fahre dann los Richtung Pyrenäen. Toulouse wäre definitiv eine Stadt, in der ich gerne mal ein bisschen leben würde: scheinbar wirklich tolles Abend/Nachtleben, Nähe zu den Bergen, die Boulagerien… In einer etwas größeren Stadt mache ich einen kurzen Stopp in einem Café (leider ist der Kaffee hier deutlich schlechter als in Italien) und fahre dann weiter. Die Hitze macht mir zunehmend zu schaffen. Im letzten Supermarkt vor den Pyrenäen mache ich noch mal Halt, kaufe viel zu viel Lebensmittel, finde keinen wirklich gemütlichen Ort zum essen, fahre unbefriedigt weiter und beginne den Kampf gegen die drei vor mir liegenden Peaks. Und das bei ca. 40 Grad und praller Sonne. Ich bin am Ende der Kräfte. Schaffe es kaum, auch nur ansatzweise kraftvoll zu treten und kämpfe mich wirklich Stück für Stück, mit unfassbar vielen Pausen den Berg hoch. Dann Abfahrt, ein Eis, dann den nächsten Pass hoch. Kurz vor der Passhöhe des Dritten Passes (Col du mente) treffe ich wieder auf den Racer vom Tag zuvor. Er ist in einer fast noch desaströseren Stimmung als ich und gemeinsam kämpfen wir uns die letzten Meter nach oben. Bei der Auberge auf der Passhöhe fragt er nach einem Zimmer, und tatsächlich, es gibt noch eins für uns. Was für ein Glück!! Und so sitzen wir eine knappe Stunde später frisch geduscht bei einem herrlichen Abendessen. Und als dann noch der Riesen Becher Eis zum Nachtisch kommt ist die Welt endgültig wieder in Ordnung!!! Echt verrückt, wie schnell sich alles ändern kann 😊
Tag 11: 19 Juli – Boutx nach Calaf (Spanien) (229 km, 3. 065 hm)
Um fünf klingelt der Wecker und wir quälen uns aus den Betten und rein in die Radklamotten. Es ist noch dunkel als wir den Pass herabfahren und so verlieren wir uns schnell, da ich bei den Lichtverhältnissen bergab noch langsamer als sowieso schon bin. Noch in der Dämmerung erreiche ich die Spanische Grenze, und wieder mal bin ich erstaunt wie schnell dich das komplette Landschafts- und Stadtbild hinter einer Grenze ändert. Mein Ziel ist die nächste größere Stadt hinter der Grenze und mein Kaffeebarometer ist wirklich im gefährlich roten Bereich als ich endlich dort ankomme – und wieder auf den anderen Racer treffe, der sich auch erst mal zwei Kaffees bestellt hat. Wir frühstücken und unterhalten uns ein bisschen über unsere Arbeitsalltage, was auch mal ganz nett ist. Anschließend fahren wir noch ein Stück hoch zu einem Tunnel, der glücklicherweise die Höhenmeter für den Tag deutlich reduziert (Komoot rechnet immer die Höhenmeter, die man ohne den Tunnel hätte fahen müssen). Angekommen am Tunnel geben wir telefonisch Bescheid, dass wir da sind, woraufhin eine ganze Fahrbahn gesperrt wird – richtig cool!
Aber das ist auch wirklich nötig, weil mit den 10 km kommt einem die Fahrt durch den Tunnel unfassbar lange vor. Als wir das andere Ende erreichen trennen sich unsere Wege wieder, der andere Racer düßt vor, ich tröpfele hinterher. Insbesondere die Hitze macht mir zu schaffen und ich bin unfassbar müde. Ich muss mir einfach immer wieder ins Gedächtnis rufen, wie viel ich schon geschafft habe und wie wenig die ca. 250 km noch sind. Aber es ist hart. Ich quäle mich über den nächsten Pass und kehre dann in die nächstbeste Kneipe ein, die wirklich süß ist – schön im Stil einer spanischen Western-Kneipe. Ich trinke einen Kaffee, gehe auf die Toilette, telefoniere kurz mit meinem Mann und versuche meine letzte Kraft und Motivation zusammen zu kratzen, bevor ich dann weiter fahre. Ich bin gerade wieder einigermaßen motiviert, als in einem Tunnel das passiert, vor dem ich immer Angst hatte. Ich übersehe eine Unebenheit auf der Straße, verliere das Gleichgewicht und stürze. Also genauer gesagt schrabbe ich an der Tunnelwand entlang. Ich habe ein paar Schürwunden und mein Lenker ist schief, aber ansonsten scheint alles in Ordnung zu sein. Ich schiebe erst mal auf eine Seitenstraße, die glücklicherweise direkt neben dem Tunnel ist und versuche mein Rad wieder zu richten. Zum Glück muss man den Lenker nur wieder gerade einstellen und auch die Bremse ist nur verschoben. Ich drehe ein paar Runden auf der Straße und entscheide mich dann dazu, bis zum nächsten Dorf weiter zu fahren. Dort finde ich eine tolle Apotheke, werde gut versorgt und beruhigt, verarzte mich und überlege, was ich jetzt machen soll. Meine Route führt mich erst mal weg von irgendeiner Möglichkeit, anders als mit dem Rad nach Barcelona zu kommen und von dort, wo ich bin gäbe es eine Zugverbindung – ich muss zugeben, ich bin versucht, das zu machen. Aber jetzt aufgeben?! Und so entscheide ich mich dazu, erst mal weiter zu fahren, was ziemlich gut klappt. Leider habe ich kaum mehr Wasser, weshalb ich in einem Dorf an den Haustüren klingeln muss (was zur Siesta-Zeit gar nicht so erfolgsvorsprechend ist…). Aber ich habe Glück, in einem Haus kocht eine Frau bei offenem Fenster und nach kurzen Übersetzungs-Problemen füllt sie meine Flaschen mit kaltem Wasser auf.
Lustigerweise hat sich durch den Sturz meine Einstellung geändert. Vorher hatte ich mich über so vieles geärgert, dass ich nicht so weit vorne bin, wie ich gerne wäre, dass es so anstrengend ist und, und, und. Jetzt bin ich einfach nur unfassbar dankbar dafür, dass ich weiter fahren kann. Mir nichts zu arg weh tut und mein Fahrrad bei dem Sturz nicht beschädigt wurde. Aber gleichzeitig ärgere ich mich auch über mich selbst und mache mir Vorwürfe, dass ich nicht vorsichtig genug gewesen bin. Ich fahre noch weiter, mache bei der nächsten Stadt noch mal Halt, trinke zwei Colas und esse zwei Magnum und fahre dann noch ein bisschen weiter. Eigentlich war mein Plan, die Nacht durchzufahren, aber jetzt bin ich doch unsicher, ob ich das wirklich machen soll. Und so halte ich beim nächsten Dorf an, suche nach einer Unterkunft (es gibt leider keine) und schlage dann mein Schlafplatz auf einem Feld vor der Stadt auf, was in vielerlei Hinsicht eine blöde Idee war – laut, hell beleuchtet, und sehr gut einsehbar von der Straße. Außerdem sind da ja noch die zwei Flaschen Cola in mir. Um es kurz zu machen, ich bekomme kaum Schlaf.
Tag 12: 20 Juli – Boutx nach Barcelona (129 km, 2040 hm)
Ich fahre um drei Uhr nachts weiter, so langsam möchte ich auch einfach ankommen. Im Dunkeln zu fahren ist eine Herausforderung für mich, aber es geht alles gut und zeigt mir, dass man sich auch oft unnötig vor etwas fürchtet. Im Morgengrauen komme ich in Montserrat, dem Start vom Finisherparcour, an. Die Landschaft ist wunderschön und ich sehe viele Tiere.
Allerdings habe ich ziemlich Hunger, und so warte ich im nächsten Dorf ein paar Minuten, bis die erste Bäckerei aufmacht und frühstücke erst mal. Ja und dann geht es weiter, die letzten km und letzten hm der Tour. Es geht tatsächlich noch mal ziemlich hoch und selbst kurz vor Barcelona werden keine Höhenmeter ausgelassen. Aber schließlich ist es geschafft, ich bin an der Kirche angekommen und muss mich nun nur noch den Berg herunter und zum Ziel rollen lassen. Was sich aufgrund des Verkehrs als doch relativ zäh erweist. Aber irgendwann bin ich da und werde von den anderen in Empfang genommen. Lustigerweise hatte ich mir vorher oft ausgemalt, wie es sein wird, im Ziel anzukommen. Jetzt bin ich um ehrlich zu sein emotional komplett leer und spüre einfach nichts. Keine Freude, keine Dankbarkeit, keine Überwältigung. Erst später, als ich dann frisch geduscht mit den anderen zusammen sitze und Geschichten austausche realisiere ich, was für eine unfassbar coole Tour das gewesen ist. Und wie viel ich dabei gelernt habe. Aber in dem Moment war ich einfach nur fertig – müde, hungrig und körperlich ausgelaugt.
Ich quatsche kurz mit den anderen, lasse mich fotografieren und gehe dann mit einem anderen Racer zum Mittagessen. Es ist cool, sich über die Tour und die Erfahrungen auszutauschen. Er war wirklich extrem schnell und ich bin ziemlich beeindruckt von seiner Leistung. Aber er auch von meiner – so gesteht er mir, dass er vor der Tour nicht damit gerechnet hätte, dass ich das schaffe, einfach aufgrund des doch relativ einfachen Fahrrades (falls du das hier liest: Danke, dass du mir das vorher nicht gesagt hast ;)). Und ja, das hätte definitiv besser sein können. Aber trotzdem bin ich im Ziel angekommen. Und ich habe echt viel gelernt.
Nach dem Essen möchte ich in meinem Hotel einchecken, was mir jedoch verwehrt wird, weil keine Fahrräder erlaubt sind. Nicht deren Ernst! Also neues Hostel suchen, einchecken, duschen und pünktlich zu der Ankunft von dem Pair, die immer wieder in meiner Nähe gefahren sind, bin ich wieder am Triumphbogen. Die Stimmung ist einfach großartig, alle sitzen rum, quatschen, irgendwann wird Pizza geholt. Es ist einfach nur schön und ich bin unfassbar glücklich. Was für eine Tour!
Die Bilder in der Galerie sind alle von dem Veranstalter des Rennens, Adventure Bike Racing. Danke für die tolle Organisation!