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Atlas Mountain Race 2025 Rennbericht

Das Atlas Mountain Race ist ein Unsupported Ultracycling Event in Marokko. Es startet in Marrakesh, führt über das Atlas Gebirge und den Anti-Atlas und endet nach 1300 km in Essaouria. Ich durfte 2025 daran teilnehmen und berichte hier ein bisschen über meine Zeit auf dem Rad. Wer mehr mehr über meine Vorbereitung und das Setup lesen möchte, bitte hier entlang.

Inhalt

Tag 0: Die Ruhe (?) vor dem Sturm
Tag 1: Marrakesh nach Imassine (263 km, 5561 hm)
Tag 2: Imassine bis kurz vor Taznakht (199 km, 5 091 hm)
Tag 3: Taznakht nach Ibn Yacoub (185 km, 3 302 hm)
Tag 4: Ibn Yacoub nach Ait Mansour (199 km, 4 480 hm)
Tag 5: Ait Mansour nach Ait Nisser (180 km, 3 309 hm)
Tag 6: Ait Nisser nach Irgendwo im Nirgendwo (86 km, 2788 hm)
Tag 7: Irgendwo im Nirgendwo nach Essaouria (Finish) (169 km, 2 367 hm)

Tag 0: Die Ruhe (?) vor dem Sturm

Der Start des Atlas Mountain Race ist erst um 18 Uhr. Dadurch steht zwar der ganze Tag noch zur freien Verfügung, jedoch bringt so ein später Start auch den gewohnten Gang vor einem solchen Rennen etwas durcheinander. Ich bin seit zwei Tagen in Marrakesch und hatte somit schon genügend Zeit, um mein Rad aufzubauen, andere Rennteilnehmer:innen kennen zu lernen und mich am Frühstücksbuffet zu stärken. Außerdem gab es da noch den kleinen (absolut vermeidbaren) Stress um die richtige Fahrradpumpe:

Als ich mein Rad aufgebaut habe und die Reifen aufpumpen wollte ist mir nämlich aufgefallen, dass meine Luftpumpe viel zu klein ist um ordentlich Druck auf die Reifen zu bringen. Und ja, das hätte man früher checken sollen – habe ich aber leider nicht. Und wie das dann so ist, sobald man einmal über etwas länger nachdenkt wird man sich bad immer sicherer, dass man ohne eine andere Luftpumpe das Rennen auf keinen Fall wird finishen können (ich hoffe, dass ihr wisst, wovon ich spreche…). Glücklicherweise gibt es in Marrakesch zwei Läden mit Fahrradzubehör: Ein unabhängiger kleiner Laden und Decathlon. Ich bin natürlich erst mal in den kleinen Laden. Ein Händler dort spricht sogar Deutsch („ich lerne gerne Sprachen“), ist total nett und besorgte mir innerhalb von 24 h eine Pumpe. Diese war jedoch leider für mein Ventil nicht geeignet.

Dementsprechend bin ich kurz versucht, am Tag des Rennstarts doch noch zum Decathlon zu fahren. Glücklicherweise kann ich mir jedoch eine Pumpe von einer anderen Renn-Teilnehmerin ausleihen (Danke noch mal dafür!). Und CO2 Kartuschen bekomme ich ebenfalls noch. Somit ist mein innerer Unruhestifter besänftigt und ich bereit für das Rennen. 

Tag 1: Marrakesh nach Imassine (263 km, 5561 hm)

Vor dem Start gibt es noch das obligatorische Riders-Briefing, bevor es dann pünktlich um 18 Uhr los geht. Das Wetter ist super, die Stimmung auch und so verfliegen die ersten Kilometer. Während ich dem ersten Anstieg entgegen fahre geht hinter mir die Sonne langsam unter und bald ist es komplett dunkel. Lediglich die schneebedeckten Gipfel des Hohen Atlas reflektieren das Licht ein bisschen und sorgen für eine sehr schöne Stimmung.

Es geht zuerst einen ersten ca. 30 km langen Anstieg nach oben und anschließend dann über den 2800 m hohen Telouet-Pass. Je höher ich komme, desto mehr Schnee liegt auf dem Weg. Ich muss immer wieder schieben, komme insgesamt aber recht gut voran. Allerdings merke ich die Höhe und die fehlende Akklimatisierung. Es hilft, dass ich immer wieder andere Fahrer treffe und man sich gegenseitig zum weiterfahren motivieren kann. Hinter dem Pass geht es dann über einen schmalen Eselspfad wieder 4 km nach unten. Dieser ist für mich definitiv nicht fahrbar, weshalb ich große Teile schieben muss.

Leider verlaufe ich auf der Hälfte noch und finde nur mühsam mit einem anderen Fahrer gemeinsam den Weg. Trotzdem ist der Abschnitt lange nicht so schlimm, wie ich es mir vor dem Rennen immer ausgemalt hatte. Und tagsüber wäre es vermutlich aufgrund der Sonne noch mal deutlich anstrengender gewesen.

Schließlich erreiche ich den ersten Checkpoint. Hier gibt es das erste Mal die berüchtigten Tajine, Omelette und Minztee und natürlich einen Stempel in die Race-Karte. Es tut sehr gut sich mal kurz hin setzen und aufwärmen zu können. Während manche Fahrer schon am Checkpoint schlafen entscheide ich mich jedoch dafür weiter zu fahren. Während den ersten Kilometern geht die Sonne auf und es warten ein paar coole Singletrails und etwas technische Abfahrten. Ich muss immer wieder an eine Aussage denken, die ich auf Instagram gelesen habe. Gemäß derer ist das AMR „easy in regard of the treck“. Dies würde ich tatsächlich nicht so unterschreiben. Es ist auf jeden Fall einfacher als das Trans-Balkan Race, aber trotzdem schaden ein paar MTB-Skills nicht (wobei diese bei mir leider nicht so ausgeprägt sind…).

Ich mache einen kurzen Rast in Ghassat (wieder Omelette, Minztee und Jogurts) und fahre dann weiter Richtung Imassine. Während des nächsten Abschnittes muss man immer wieder vom Bike absteigen um ein bis zwei Meter tiefe Flussbetten zu passieren. Gleichzeitig ist der Treck nicht so einfach zu finden. Dementsprechend schnell vergeht die Zeit und es ist schon dunkel, als ich schließlich Imassine erreiche.

Ich esse eine Tajine und frage dann die Besitzer des Restaurants, ob es in dem Ort ein Hotel gibt. Nein, das nicht, aber ich dürfe gerne bei ihnen schlafen. Und so werde ich nach dem Essen ins Wohnzimmer geführt und darf sogar mein Rad mit in die Wohnung nehmen. Ein Hoch auf die marokkanische Gastfreundschaft!

Tag 2: Imassine bis kurz vor Taznakht (199 km, 5 091 hm)

Ich schlafe tief und fest und baue das Klingeln meines Weckers in meine Träume ein. Denn als ich endlich wach werde zeigt die Uhr 03:39 und ganz ehrlich, niemand stellt seinen Wecker auf solch krumme Uhrzeiten. Meine arme Gastfamilie! Wie immer in der ersten Nacht eines solchen Rennens fällt es mir schwer aufzustehen. In der Nacht zu fahren ist zwar mittlerweile ziemlich normal geworden, aber nach wie vor ist da manchmal diese kleine Stimme in mir die schreit: „Ist das nicht zu gefährlich?“. Dabei ist nachts fahren manchmal sogar sicherer als tagsüber: Weniger Verkehr, weniger Ablenkung, gemäßigtere Temperaturen. Und natürlich bin ich nicht lange alleine, andere Fahrer sind ebenfalls schon unterwegs.

Es ist fast Vollmond, man sieht viele Sterne und insgesamt ist die Atmosphäre total schön.

Vor mir liegt ein abgelegenes Stück mit vielen kurzen An- und Abstiegen. Es ist fast Vollmond, man sieht viele Sterne und insgesamt ist die Atmosphäre total schön. Kurz nachdem die Sonne aufgegangen ist heißt es noch mal schieben um auf ein Gipfelplateau zu kommen. Ich mache einen kurzen Powernap und ein paar Fotos, bevor ich dann meinen Weg zurück nach unten antrete. 

Dieser geht wieder über relativ groben Schotter und ich werde ordentlich durchgeschüttelt. Mittlerweile habe ich jedoch gelernt mehr auf mein Bike zu vertrauen. Ich weiß, wann ich gefahrlos bremsen kann und wann es besser ist, die Räder einfach laufen zu lassen. Dementsprechend bin ich auch bei den Abfahrten nicht mehr ganz so langsam unterwegs (an dieser Stelle: Danke Jörg für den kleinen MTB Crashkurs vor meiner Abreise!).

Kurz vor Afra überhole ich das erste Mal eine andere Rennteilnehmerin und es beginnt von nun an ein kleines Katz und Maus Spiel zwischen uns. Wir haben ungefähr die gleiche Geschwindigkeit und treffen uns daher immer wieder an den Resupply-Points. Im Gegensatz zu mir ist sie jedoch deutlich fokussierter und verliert weniger Zeit durch Fehler oder schlechte Planung als ich. So fährt sie zum Beispiel in Afra direkt zu dem Restaurant, während ich anderen Fahrradspuren folgend einen kleinen Umweg fahre. Im Endeffekt sind das maximal 10 Minuten, aber es macht mir trotzdem schlechte Laune. Während des nächsten Abschnitts versuche ich diese jedoch in Watt umzuwandeln um so die verlorene Zeit wieder gut zu machen.

Insgesamt ist der Treck nach Afra deutlich einfacher, da sowohl die Wege besser fahrbar als auch die Höhenmeter gemäßigter sind. Als die Sonne gerade unter gegangen ist erreiche ich gegen 19 Uhr ein Restaurant. In diesem gibt es nicht nur sehr leckere Omeletts, sondern auch einige Zimmer und ein paar Rennteilnehmer schlafen hier auch. Ich hatte mir jedoch vorgenommen noch bis nach Taznakht (ca. 70 km entfernt) zu kommen, weshalb ich weiter fahre. Dies ist rückblickend gesehen ein Fehler gewesen. Ich bin total müde, verliere immer wieder den richtigen Weg und habe insgesamt eine sehr niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit. Außerdem ist der Untergrund oft steinig und es ist gar nicht so leicht, einen guten Platz zum schlafen zu finden. Aber irgendwann geht es nicht mehr anders, ich nehme den nächstbesten Platz den ich finden kann und lege mich mitsamt Radklamotten in meinen Biwacksack.

Tag 3: Taznakht nach Ibn Yacoub (185 km, 3 302 hm)

Nach zwei Stunden umerholsamen Schlaf fahre ich die letzten 20 km weiter nach Taznakht. Es ist kalt und ich bin völlig durchgefroren, als ich schließlich in dem kleinen Dorf ankomme. Glücklicherweise hat schon ein Café geöffnet und hier sitzt auch schon ein anderer Fahrer, dem es genauso mieß geht wie mir. Der Besitzer des Cafés stellt uns einen kleinen Ofen hin, kocht uns einen Kaffee nach dem anderen und versorgt uns mit sehr leckerem Essen. Nach der Kälte und Einsamkeit der Nacht fühlt es sich wie ein Paradies an.

Wir bleiben viel zu lange und fahren erst mit dem Sonnenaufgang weiter. Mittlerweile ist meine Laune wieder gut, ich genieße die Landschaft, kleine Interaktionen mit Einheimischen und die Tatsache, dass ich gerade keine weiteren Verpflichtungen als das Radfahren habe. Sehr ausgeglichen komme ich gegen Nachmittag beim CP2 an. Hier gibt es wieder leckeres Essen, sowie eine richtige Toilette und einen Balkon für einen kurzen Power-Nap. Ich bin kurz versucht hier noch länger zu bleiben, fahre dann jedoch doch weiter. Es geht eine Straße mit vielen Serpentinen herunter und anschließend durch einen Canyon. Die Kulisse ist wirklich beeindruckend und ich bin froh, dass ich diesen Abschnitt tagsüber fahre.

Ich treffe einen Schäfer, der mir gleich mal eine kleine Ziege in die Arme drückt…

Nach einem Stück auf Asphalt geht es anschließend noch mal auf Geröll. Der Abschnitt ist beschrieben als „Slow Section with some HAB“, aber ich komme ganz gut durch. Für die Strapazen entschädigt auch hier wieder die Landschaft. Außerdem treffe ich einen Schäfer, der mir gleich mal eine kleine Ziege in die Arme drückt. Er würde gerne ein Selfie machen, jedoch ist seine Speicherkarte voll was ihn ziemlich frustriert. Gleichzeitig ist die Ziege auch nicht so happy und so lasse ich sie bald wieder runter und fahre weiter.

Im Dorf habe ich dann meine erste (und einzige!) nicht so schöne Begegnung mit ein paar Jungs, die ziemlich aufdringlich nach Süßigkeiten verlangen. Hier hilft nur ein entschlossenes Auftreten und zügiges weiterfahren. Mittlerweile ist die Sonne unter gegangen und für mich beginnt ein Kampf gegen den Schlaf. Der Weg verläuft komplett auf Asphalt und die Steigung ist modert – perfekte Bedingungen zum einschlafen. Um dem entgegen zu wirken telefoniere ich mit meinem Mann. Er berichtet mir von einem Cafè, in dem einige Rennteilnehmer:innen auch schlafen. Dieses ist nur noch ca. 20 km entfernt und ich beginne kräftig in die Pedale zu treten, um möglichst schnell dort anzukommen.

Der Ort ist schon aus großer Entfernung sichtbar, aber das letzte Stück dorthin zieht sich noch mal gewaltig. Zwischendurch denke ich wirklich, dass ich gerade halluziniere und es das Dorf eigentlich gar nicht gibt. Aber schließlich bin ich da. Ich bekomme einen Schlafplatz, kann mich sogar noch kurz waschen und ein Omlette essen. Mit mir im Zimmer ist, ihr erinnert euch: Isabella, meine Katz- und Maus Partnerin! Ihren Gesichtsausdruck als ich ins Zimmer komme werde ich nie vergessen. Ich bin kein kompetetiver Mensch und vergesse daher auch gerne mal, dass wir uns ja eigentlich gerade in einer Rennsituation befinden. Dies geht jedoch nicht allen Teilnehmenden so, was mich immer wieder zum schmunzeln bringt.

Tag 4: Ibn Yacoub nach Ait Mansour (199 km, 4 480 hm)

Als ich gegen 03:30 Uhr von meinem Wecker geweckt werde ist Isabella schon weiter gefahren. Ich packe meine Sachen schnell zusammen und schwinge mich ebenfalls wieder aufs Bike. Schon nach wenigen Metern wird der Weg sandig und immer schwerer zu befahren, weshalb ich viel schieben muss. Es ist mitten in der Nacht, niemand um mich herum und ich genieße es total zu diesem Zeitpunkt genau an diesem Ort zu sein. Nach dem sandigen Stück kommt ein steiniges Hochplateau (wo ich mich natürlich mal wieder verlaufe) und dann geht es ein wunderschönes Stück eine Schlucht hinunter. Mittlerweile geht die Sonne auf und ich bin wirklich total fasziniert von der Umgebung. Fast ein bisschen zu schnell komme ich in Tagmout an.

Hier frühstücke ich kurz, bevor es dann zur Old Colonial Road geht. Diese ist fast vollständig geschottert und für den normalen Verkehr nicht befahrbar, da an zwei Stellen die Straße komplett abgebrochen ist. Es heißt also runter vom Rad und um die Stelle herum schieben. Insgesamt ist der Streckenabschnitt sehr schön und entgegen der Erwartung auch nicht so hart wie gedacht. Nach ca. 5 h Fahrt bergauf bin ich am höchsten Punkt angekommen und erreiche nach einer entspannten Abfahrt das nächste Restaurant. Es gibt wieder eine leckere Tajine sowie einige Jogurts und Kaffee und ich kann meine Geräte laden.

Ich ziehe alles an, was ich dabei habe und versuche die aufkommende Panik zu unterdrücken. Wenn jetzt was passiert!

Dieses Mal kommt Isabella kurz nach mir an und wir überlegen, ob wir es wohl noch bis zum nächsten Checkpoint in ca. 120 km schaffen. Es ist mittlerweile fast 17 Uhr und dementsprechend ziemlich unrealistisch, aber hier schon zu bleiben wäre auch verschenkte Zeit. Im Sonnenuntergang geht es durch einen Canyon mit vielen kleinen Dörfern, der Muezzin ruft zum abendlichen Gebet und insgesamt ist die Stimmung wunderschön. Leider wird der Weg bald immer schlechter befahrbar und ich muss immer wieder schieben. Außerdem muss man ja auch irgendwie aus dem Canyon raus kommen und das geht nur – Überraschung – indem man ein paar Höhenmeter überwindet. Als ich endlich das Hochplateau erreicht habe ist es dunkel und unfassbar kalt. Ich ziehe alles an, was ich dabei habe und versuche die aufkommende Panik zu unterdrücken. Wenn jetzt was passiert! Insgesamt ist die Stimmung total unrealistisch: Aufgrund des Gesteins und der Dunkelheit erscheint (oder ist? Ich muss unbedingt noch mal im Hellen an diesen Ort kommen!) alles um mich herum weiß und immer wieder tauchen LKWs wie aus dem nichts aus und brettern an einem vorbei.

Außerdem bin ich wieder unfassbar müde. Ich rufe eine Freundin an die gerade in den USA ist, damit wir uns ein bisschen unterhalten können und ich wach bleibe. Leider bricht der Empfang bald ab (ich weiß nicht, ob es an meinem Vertrag gelegen hat, aber der Handyempfang hat zwar immer für Nachrichten gereicht, jedoch selten für unterbrechungsfreie Telefonie). Nachdem ich einmal tatsächlich auf dem Bike einschlafe steige ich ab und setze mich an den Wegesrand – unschlüssig, ob ich nun hier schlafen oder weiter fahren soll. Ich mache einen kurzen Power-Nap und entscheide mich dann fürs weiter fahren, es ist einfach zu kalt zum schlafen.

Es hilft, dass in dem Moment ein anderer Fahrer vorbei kommt und wir die letzten 20 km bis zu einer kleinen Herberge gemeinsam bewältigen. Es ist vier Uhr morgens, als wir endlich dort ankommen. Alle schlafen schon und eigentlich sind auch alle Räume belegt, aber ich finde noch einen freien Platz im Gemeinschaftsraum. In diesem schläft zwar schon ein anderer Rennteilnehmer, aber der Herbergsvater sieht wohl ein, dass in dieser Situation eine strikte Männer – Frauen Trennung sinnlos ist. Und so schlafe ich bald tief und fest – wobei ich komplett vergesse, mir ein Wecker zu stellen.

Tag 5: Ait Mansour nach Ait Nisser (180 km, 3 309 hm)

Auch ohne Wecker wache ich glücklicherweise 2 ½ h später auf. Der Herbergsvater ist zu dieser Zeit auch schon wieder wach und macht mir ein sehr großes Frühstück mit einem, wie er immer wieder stolz betont, Berber Omlette – tatsächlich ist es eines der leckersten, die ich auf der Tour gegessen habe. Dazu gibt es wieder Tee, Kaffee und reichlich Brot und so gut gestärkt nehme ich die letzten Kilometer zum Checkpoint in Angriff.

Schon seit Beginn des Rennens hatten viele Rennteilnehmer:innen auf den zweiten Checkpoint hingefiebert, da es bei diesem „westliches“ Essen wie Pizza und Burger geben sollte. Dies wäre auch ein Anreiz für mich gewesen, in der Nacht noch die Strecke bis dorthin zu fahren. Als ich diese jetzt jedoch im Hellen fahre bin ich froh, es nicht gemacht zu haben. Insbesondere die Serpentinen runter nach Tafraoute sind nicht ohne und mit meinem Schlafmangel wäre das mehr als gefährlich geworden. Außerdem war das Berber-Frühstück ziemlich gut und es hatten einige Fahrer nach dem CP3 Magenprobleme…

Am Checkpoint angekommen treffe ich wieder Isabella, die jedoch schon am aufbrechen ist. Ich lasse meine Karte abstempeln, klatsche mit Eric und Alex ab (zwei Fix-Gear Fahrer aus der USA, die es auf wundersame Weise immer wieder schaffen vor mir an den Checkpoints zu sein…) und dann geht es weiter. Die Region rund um Tafraoute ist anders als zuvor, alles ist viel grüner und bewachsener. Außerdem gibt es deutlich mehr Touristen. 

Es folgt eine relativ lange Strecke auf Asphalt, bevor es dann wieder auf Schotterpisten geht. Diese sind wieder ziemlich grobschotterig und es gibt in der Abfahrt ein paar miese Gegenanstiege. In der Dämmerung erreiche ich endlich das nächste Dorf. Hier herrscht Feierabendstimmung und viele Einheimische sind auf den Straßen unterwegs. Ich halte bei einem Restaurant an und stärke mich mit Omelette und Jogurts. Außerdem überlege ich, was ich jetzt machen soll. Es gäbe in 20 km ein Hotel, allerdings wartet in knapp 60 km der Wüstenabschnitt (8 km durch den Sand) und mich reizt die Vorstellung dort zu schlafen. Und da auch die anderen noch weiter fahren mache ich das auch (eine Entscheidung die rückwirkend betrachtet mein zweiter großer Fehler im Rennen gewesen ist).

Ich denke, dass ein Dorfbewohner mich sucht, dabei stammte der Lichtkegel von einem anderen Rennteilnehmer…

Die Strecke ist zwar gut fahrbar, aber aufgrund meiner Müdigkeit habe ich trotzdem eine langsamere Durchschnittsgeschwindigkeit. In einem Dorf kläfft mich eine ganze freilaufende Hundeherde zusammen und zwingt mich, einen kleinen Umweg zu machen. Und schließlich finde ich einfach den richtigen Weg nicht mehr. Völlig entnervt baue ich mein Nachtlager auf, wobei die Stelle denkbar ungünstig ist. Ich bin viel zu nahe an dem Dorf und somit den Hunden. Außerdem sehe ich nach ein paar Minuten einen Lichtkegel und denke, dass dies vielleicht ein Dorfbewohner ist der nach der Ursache für die kläffenden Hunde sucht (Spoiler: Es war ein anderer Radfahrer, der im Gegenzug zu mir den richtigen Weg gefunden hatte, jedoch aus irgendeinem Grund nicht auf der Tracking-Seite zu sehen war).

Bis ich in meinem Biwacksack liege vergeht einige Zeit und dann muss ich noch meine Kontaktlinsen entfernen. Ich habe Glück, dass ich diese wahnsinnig gut vertrage und mir meine Augen einiges verzeihen, aber bei diesen Rennen sehne ich mich doch manchmal danach auch ohne Hilfe scharf sehen zu können.

Tag 6: Von Ait Nisser nach Irgendwo im Nirgendwo (86 km, 2788 hm)

Ich schlafe unruhig und wache immer wieder auf. Nach einer Stunde schaue ich auf die Dotwatcher-Seite und sehe: Die anderen aus meinem Feld fahren schon wieder. Und irgendwie war ich immer mehr von der Idee besessen, das Rennen doch in 6 Tagen zu finishen. Rückblickend betrachtet weiß ich nicht, was da mit mir los war. Ich hätte einfach noch für eine Stunde liegen bleiben sollen. Stattdesssen packe ich hastig alles zusammen, breche schnell auf, finde zwar den richtigen Weg aber bin einfach nur müde. Und ich ärgere mich maßlos über mich selbst, dass ich nicht im Hotel geschlafen oder zumindest bis zur Wüste weiter gefahren bin. Denn dort herrschen wirklich die perfekten Bedingungen zum Schlafen: Vollmond, Sternenklare Nacht, Einsamkeit. Aber anstatt meine (falsche) Entscheidung nun einfach zu akzeptieren hänge ich dieser ewig nach. Dadurch trödele ich und verliere schließlich aus Unachtsamkeit sogar den Weg.

Ich stehe plötzlich mitten in der Nacht in der Wüste und weiß nicht mehr, wo ich hin muss! Ich bin mental am Tiefpunkt der Tour angekommen. Telefoniere mit meinem Mann, der im Gegenzug zu mir einen ruhigen Kopf hat und mich wieder auf die richtige Route manövriert. Irgendwie quäle ich mich die 7 km durch den Sand, kann am Schluss sogar noch fahren und bin zum Sonnenaufgang im nächsten Dorf. Es ist kalt und ich bin völlig fertig. In einem Laden kaufe ich mir Backwaren, allerdings platzt die Tüte auf und alles liegt am Boden. Ich fühle mich so dreckig und unfähig. Aber es hilft nichts, irgendwie muss ich weiter.

Irgendwo tief in mir ist eine Stimme die sagt: Besser wird’s nicht! Fahr weiter!

Vor mir liegen 20 km auf Asphalt, mein Wahoo ist zu wenig geladen, fällt aus, ich muss mit dem Handy navigieren, das plötzlich unauffindbar ist und erst nach einiger Sucherei glücklicherweise in meiner Tasche auftaucht. Als ich im nächsten Dorf ankomme bin ich ernsthaft am überlegen mir einfach ein Hotel zu nehmen, zu schlafen und dann weiter zu fahren. Aber irgendwo tief in mir ist diese Stimme die sagt: Besser wird’s nicht. Fahr weiter. Und dieser folge ich. Wasche mich kurz an einer Wasserstelle und fahre dann einfach weiter.

Es geht eine Passstraße hoch, erst auf Asphalt und schließlich wieder auf Schotter. Langsam geht es mir besser. Leider gehen zunehmend auch meine Vorräte zu Neige weshalb es umso cooler ist, dass die Einheimischen in regelmäßigen Abständen kleine Stände mit Snacks und Getränken aufgebaut haben. Um diese zu unterstützen halte ich an allen Stationen und esse oder trinke etwas. Am tiefsten Punkt der heutigen Etappe angekommen treffe ich auf Julie, die nach einer Reifenpanne schon dachte aufhören zu müssen, nun aber doch noch die letzten Kilometer in Angriff nehmen will. Wir fahren ein bisschen zusammen und es tut gut, sich mal kurz zu unterhalten (insgesamt bin ich bei dieser Tour so wenig mit anderen zusammen gefahren wie noch nie). Sie ist jedoch deutlich schneller und so bin ich bald wieder alleine unterwegs – bis ich auf einen anderen Rennteilnehmer treffe mit dem ich ebenfalls ein paar Kilometer teile.

Schließlich bin ich jedoch so müde, dass ich kurz vor der Passhöhe noch mal mein Schlafquartier aufbaue. Und tatsächlich war das eine sehr gute Entscheidung, denn die Aussicht ist nicht nur sehr gut, sondern ich kann auch drei Stunden wirklich tief und fest schlafen.

Tag 7: Von Irgendwo im Nirgendwo nach Essaouria (Finish) (169 km, 2 367 hm)

Mein Wecker klingelt um Mitternacht und ich packe schnell alles zusammen. Ich bin sehr motiviert noch die letzten Kilometer bis zum Ziel zu fahren und freue mich, spätestens am Nachmittag am Strand in Essaouria zu sein. Und von nun an würde es eh (fast) nur noch bergab gehen (hatte ich schon mal erwähnt, dass ich Höhenprofile immer mit einem sehr optimistischen Auge betrachte?!). Mittlerweile macht mir das Fahren im Dunkeln überhaupt nichts mehr aus, selbst, wenn niemand anderes um mich herum ist. Und ich komme auch wirklich gut voran. Blöd ist nur die Tatsache, dass ich nach wie vor etwas zu wenig Essen dabei habe. Aber Marokko ist einfach immer für Überraschungen gut, denn keine 30 km gefahren taucht plötzlich mitten im Nichts ein kleiner, Kiosk auf (und nein, ich habe nicht halluziniert!).Der Verkäufer ist genauso überrascht wie ich, bietet mir aber gleich ein Nutellabrot an. Das hätte ich allerdings vor Ort essen müssen, weshalb ich mich für ein paar Kekse und Cola entscheide.

Es geht ziemlich lange über Schotter, aber kurz vor dem ersten Küstenort auf der Tour (Imsouane, sehr beliebt unter Surfern) gibt es noch mal ein paar Kilometer auf Asphalt. Hier beginnt wieder der Kampf gegen den Schlaf. Es fällt mir extrem schwer meine Augen aufzuhalten und ich muss mehrmals kurz anhalten um den Sekundenschlaf von der Straße an den Straßenrand zu verlegen. Darüber hinaus ist es mal wieder ziemlich kalt.

Ich nutze die Zeit um das Rennen Revue passieren zu lassen, genieße noch mal das Radfahren, die Sonne, die Landschaft. Und bin überglücklich.

Ich komme mit dem Beginn der Dämmerung in Imsouane an und kann mein Glück kaum fassen, als ich an einer schon geöffneten Bäckerei vorbei fahre. Hier gibt es frische Backwaren und Kaffee! Ich stärke mich, quatsche ein bisschen mit anderen Fahrern die ebenfalls dieses Paradies entdeckt haben und fahre dann weiter. Ab hier geht es nur noch an der Küste entlang, noch 100 km bis zum Ziel. Ich nutze die Zeit um das Rennen Revue passieren zu lassen, genieße noch mal das Radfahren, die Sonne, die Landschaft. Und bin überglücklich. Auch ein paar Höhenmeter und schlechte Straßenbeläge (in Marokko gibt es immer wieder Rollsplit auf dem Asphalt, was nicht unbedingt zu einem höheren Sicherheitsgefühl beiträgt…) können daran nichts abhaben. Und schließlich sind es nur noch 20 km. Ab hier weiß ich: Ich werde ankommen. Und wenn es schiebend ist!

Kurz vor Essaouria taucht plötzlich Sebastian mit seinem Bike auf. Er ist schon seit längerem im Ziel und hat die Zeit für eine kleine Radtour genutzt. Wir hatten uns in Marrakesh kennen gelernt und ich freue mich sehr, ihn wieder zu sehen. So gut eskortiert komme ich schließlich am Finish an – nach 6 Tagen, 20 h! Nach dem Abstempeln der Race-Karte geht es kurz ins Meer und dann zum Hotel, wo ich nach dem Duschen einfach einschlafe (was ein bisschen schade ist, da ich somit die Ankunft weiterer Rennteilnehmer:innen sowie ein gemeinsames Abendessen einfach verschlafen habe).

Aber in den nächsten zwei Tagen ist noch genug Zeit um das nachzuholen. Ich genieße das gute Essen, sitze viel am Strand rum und mache schlussendlich noch einen Surfkurs. Viel zu früh geht es wieder zurück nach Marrakesh und dann Richtung Heimat (zu der Zeit hatte es in Deutschland -5 Grad und Schnee…).

Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich bei dem Rennen machen durfte. Es war rundum ein gelungenes Event und wie auch beim Three Peaks Bike Race und dem Trans Balkan Race kann ich wirklich jedem empfehlen, daran teilzunehmen. Egal, ob ambitioniert oder genussorientiert. Und vor allem egal ob Mann oder Frau. Die Marokkaner sind wirklich sehr gastfreundlich und ich habe mich nie unsicher gefühlt!

Und für alle, die denken, dass sie noch nicht bereit für so etwas sind: Doch, seid ihr. Es wird nie den perfekten Moment geben. Wichtig ist, es nicht ständig aufzuschieben. Weil ja, vielleicht ist man nächstes Jahr besser trainiert. Aber vielleicht passen dann andere Faktoren nicht mehr. Wenn es irgendwie geht sollte man immer versuchen seine Träume und Wünsche so bald es geht umzusetzen! (Und damit genug der Moralpredigt ;))

Etwas geschafft aber überglücklich!

 

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Trans Balkan Race Ausrüstung

Oder auch: Was brauche ich alles für ein Off-Road Rennen?

Kurze Antwort auf diese Frage: Viel! Und auch noch mal etwas mehr als bei einem Straßen-Rennen. Dies liegt daran, dass man weniger Resupply-Möglichkeiten hat, mehr technisches Equipment mitnehmen und auch für unterschiedliche Wetterbedingungen besser ausgerüstet sein muss. Dies erhöht natürlich die Materialschlacht im Vorhinein, gleichzeitig habe ich jetzt (fast) alles, was man so kleine und große Outdoor-Abenteuer braucht.

Wie bei meiner Packliste für das Three Peaks Bike Race habe ich versucht zu jedem Produkt kurz die Vor- und Nachteile aufzuführen, die mir bis jetzt aufgefallen sind. Die Verlinkungen sind nach wie vor unentgeltlich, also kauft die Produkte auch gerne wo anders. Und bei Fragen schreibt mir einfach (kontakt@wildgeworden.org).

Fahrrad und Technik

MaterialVorteileNachteile
MTB von Canyon (Exceed CF SLX)Ein extrem leichtes MTB mit Vollcarbon Ausstattung, elektronischer Schaltung und Federgabel von Fox. Dazu eine sehr komfortable Sitzposition. Scheibenbremsen von SRAM. Jeder der die schon mal gefahren ist weiß vermutlich: Die quietschen gerne. Und das haben meine definitiv nach Lust und Laune immer wieder getan.
WerkzeugMultitool, Luftpumpe, Ersatzschlauch, Tubeless-Milch, Tubeless Kit, Schaltauge, Bremsbeläge (1x), Kettenwachs, Ersatzakku für die SchaltungIch habe zum Glück nur die Bremsbeläge gebraucht – davon würde ich nächstes Mal aber 2 Paar mitnehmen!
2 x Powerbank INIU (10000 mAh)Klein und leicht mit LED- Ladestandsanzeige Besseres Strommanagement als beim Three Peaks, trotzdem hat es einmal wieder nicht ganz gereicht – nach wie vor würde der Dynamo Sinn ergeben.
HAMA USB-A 4 Port SchnellladegerätExtrem praktisch, da man oft auf Campingplätzen/Hostels/Cafès nur eine Steckdose zur Verfügung hat.
Wahoo Element Roam V2Toller Fahrradcomputer! Beim Three Peaks hatte ich den Bolt ausgeliehen und mir nun den Roam gekauft. Hat ein noch etwas größeres Display, besseren GPS-Empfang und etwas mehr Akkuleistung.
Stirn-/ Helmlampe PIKO von Lupine mit 6.9 mAh AkkuExtrem gute Lampe. Hochwertig verarbeitet, einfache Bedienung (drei individuell einstellbare Leuchtstufen) und eine relativ lange LeuchtdauerTeuer (Tipp: Rabattaktionen nutzen!) und keine Memory-Funktion (d.h. die Lampe geht immer entweder auf der höchsten oder niedrigsten Stufe an).
Fahrradlichter von SigmaMeine Hauptbeleuchtung war die PIKO, die Fahrradlichter dienten nur als Ersatzleuchten.Das Rücklicht war leider nach dem dritten Tag kaputt, wobei das bei der Nässe und dem Dreck auch nicht allzu verwunderlich ist. Daher immer ein Ersatzlicht mitnehmen!
Mini-SchlossKann man vermutlich mit einer Zange aufbrechen, aber um das Fahrrad mal kurz vor dem Supermarkt stehen zu lassen reicht es auf jeden Fall.

Schlafen und Hygiene

Outdoor-Research Helium BiwacksackMeiner Meinung nach ein wirklich guter Biwaksack. Aufgrund des aufstellbaren Kopfbereichs hat man deutlich mehr Platz als bei anderen Modellen und ich habe auch nie Probleme mit Kondens (selbst im geschlossenen Zustand). Gleichzeitig wärmt er und schützt vor neugierigen Blicken.Etwas größer und schwerer als ein herkömmlicher Biwaksack, gleichzeitig bietet er natürlich nicht so viel Platz und Komfort wie ein Zelt (insbesondere bei schlechtem Wetter könnte dies relevant sein).
Spark SPL DaunenschlafsackToller Schlafsack! Lässt sich extrem klein verstauen und ist trotzdem erstaunlich warm.
Ultra 3R Isomatte von ExpedSehr bequem und geräuscharm.Großer Pumpsack, der das Aufpumpen der Matratze etwas umständlich macht.
Zahnbürste, Zahnpasta, Sonnenmilch, Kontaktlinsen, Sitzcreme, Pflaster, Mullbinde, Rettungsdecke Ich bin mit Kontaktlinsen gefahren und hatte da keine Probleme. Habe allerdings für das Rennen etwas hochwertigere mit einer längeren Tragezeit gekauft und ein Paar als Ersatz dabei gehabt.

Kleidung

Bib-Short von AssosAn der Bib-Short würde ich definitiv nicht sparen. Insbesondere eine Schnalle ist für Frauen sehr viel wert und das Sitzpolster sollte wirklich gut zum Hintern und Sattel passen!Nach dem Three Peaks hatte die Bib schon einige eingerissene Nähte und durch den Sturz auch Löcher, die ich aber dann einfach wieder geflickt habe. Jetzt sieht sie leider noch etwas zerstörter aus….
2 Merinoshirt von OrtovoxIch bin das Rennen einfach in einem normalen Merinoshirt und keinem Radtrikot gefahren und kann das wirklich sehr empfehlen. Musste die Shirts nicht waschen und gleichzeitig sind sie leichter als ein Radtrikot. Die fehlenden Taschen am Rücken. Da ich einen Rucksack aufhatte war das kein Problem, ansonsten sind die schon ziemlich praktisch. Es gibt mittlerweile aber auch Radtrikots aus Merino-Wolle.
Patagonia Torentshell 3L RegenjackeWasserdicht, relativ leicht und dank Reisverschlüssen unter den Armen auch atmungsaktiv. Nutze die Jacke für alles und kann sie wirklich sehr empfehlen.Etwas schwerer als eine reine Fahrrad-Regenjacke
Tierra RegenhoseExtrem atmungsaktiv und Reißverschlüsse, die über die gesamte Beinlänge gehen. Gleichzeitig sehr leicht und relativ klein packbar.
Armlinge und BeinlingeWürde ich auf jeden Fall wieder mitnehmen. Insbesondere für Passabfahrten oder wenn es morgens noch kalt ist sind die echt super!
Icebreaker Primaloft-Jacke (leider nicht mehr verfügbar).Habe ich schon seit vielen Jahren und leistet mir immer noch gute Dienste.
Sportleggins + langes Merinoshirt Dienten als Wechselklamotten für die Nacht bzw. tagsüber zum Schutz vor der erbarmungslosen Sonne in Montenegro.

Fahrradtaschen/Sonstiges

Apidura Frame Bag (4 L) Die Tasche passt perfekt in meinen Rahmen und mir gefällt die Aufteilung sehr. Komplett wasserdicht war sie nicht, aber bei dem Regen sind selbst eingeschweißte Müsliriegel aufgeweicht….
Sollte man allerdings immer im Hinterkopf haben und Elektronik etc. zusätzlich schützen.
Apidura Seat Pack 16 LLässt sich einfach befestigen und wackelt nicht.Für das Rennen war die Seat-Pack etwas zu groß, sobald man aber mit Kocher etc. unterwegs ist perfekt.
Apidura Top Tube Pack Nicht allzu geräumig, aber dafür auch relativ (!) wasserdicht.
Trailrunning-Rucksack (Dynafit Ultra 15)Kann ich sehr empfehlen. Der Rucksack hat ein großes Hauptfach mit Platz für die Trinkblase und ein kleines Meshfach. Und dazwischen ist noch Platz um die Jacke etc. zu verstauen. Außerdem ist er erstaunlich robust.
Foodpouches (selbst genäht!)Sehr praktisch für die vielen Snacks, die ich immer dabei hatte.Alles klappert und klirrt immer. Bei einem MTB-Rennen also vielleicht lieber ohne und das Essen in den Taschen etc. verstauen.
Kleine Rahmentasche für Werkzeug (ebenfalls selbst genäht)Unterhalb von der Apidura-Rahmentasche war noch ein bisschen Platz und hierfür habe ich mir eine kleine dreieckige Rahmentasche für Werkzeug und Verbandsmaterial genäht (aus Cordura-Stoff).
Ultraleichte Reißverschluss-taschenEinfach bei Amazon ein paar Aufbewahrungstäschchen aus Netzstoff bestellt und dann individuell kleiner genäht. Hat dafür gesorgt, dass nicht alles in den Taschen durcheinanderfliegt.
Trinkblase (2 L), Softflasks (insg. 1 L) und TrinkflascheIn die Softflasks und die Trinkflasche habe ich immer Cola gefüllt, in der Trinkblase war nur Wasser. Ich bin damit gut klar gekommen.
Wasserfilter Habe ich nie gebraucht, hat mir aber immer ein gutes Gefühl gegeben und dafür gesorgt, dass ich mich auch mal mit weniger Wasser auf den nächsten Abschnitt begeben habe. Ist daher also durchaus sinnvoll.Das Zusatzgewicht!

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Trans Balkan Race 2024 Rennbericht

Inhalt:

Tag 1: Von Sezana nach Fuzine
Tag 2: Von Fuzine nach Gospic
Tag 3: Von Gospic nach Mazin / Checkpoint 1
Tag 4: Von Mazin auf eine Berghütte am Mt. Sinjal
Tag 5: Von der Berghütte am Mt. Sinjal nach Donji Gvodzac
Tag 6: Von Donji Gvodzac nach Susteri
Tag 7: Von Susteri nach Popov Most/ Checkpoint 2
Tag 8: Von Popov Most nach Dugi Do
Tag 9: Von Dugi Do nach Niksic
Tag 10: Von Niksic nach Risan / Finish

Tag 1: Von Sezana nach Fuzine (145 km, 3567 hm)

Der Start des Trans Balkan Race 2024 ist am Freitag um 09 Uhr in Sezana. Schon am Tag zuvor wurden besorgt die Wetterkarten studiert, denn die Aussichten für die ersten Tage waren leider gar nicht gut. Passend dazu startete das Rennen auch direkt im strömenden Regen.
Trotzdem läuft es am Anfang gut. Nach einem kurzen Stück auf Asphalt geht der Weg zwar direkt in groben Schotter über, aber dank der Aufregung und Freude über den Beginn der Tour fliegen die Kilometer nur so vorbei. Nach einer Zeit kommt sogar kurz die Sonne hervor und durch die zahlreichen Begegnungen mit anderen Fahrern erscheinen auch die Höhenmeter gar nicht so dramatisch. Gleichzeitig wechseln sich kleine, technische Trails mit Schotterwegen und Asphalt ab, was ebenfalls zu einer großen Abwechslung beiträgt. Leider beginnt es bald erneut zu regnen und dieses Mal ist es zeitweise so heftig, dass ich mich kurz unterstellen muss. Aber irgendwie will ich auch nicht den ganzen Tag nur unter irgendwelchen Dächern stehen, weshalb ich viel im Regen fahre und dankbar um meine gute Ausrüstung bin.

Gegen Abend wird es jedoch dann zunehmend kalt und ich beginne mir Sorgen zu machen, wo ich die Nacht verbringen kann. Ich hatte mich gerade damit abgefunden draußen zu schlafen, als in dem Dorf Fuzine ein kleines Hotel am Wegesrand auftaucht. Es ist schon gut gefüllt mit anderen Rennteilnehmern, aber ich bekomme noch das letzte Zimmer. Ich dusche heiß und sitze kurze Zeit später mit den anderen beim Abendessen. Welche glückliche Fügung!

Tag 2: Von Fuzine nach Gospic (182 km, 3688 hm)

Ich mache mich um fünf Uhr morgens wieder auf den Weg. Es geht zuerst ein Stück flach auf Asphalt und dann jedoch wieder in einen Wald und die ersten Höhenmeter nach oben. Wir sind nun mitten im Bärengebiet, weshalb ich versuche, beim Fahren möglichst viel Krach zu machen (was nicht allzu schwer ist, da alleine mein Freilauf schon Fußgänger regelmäßig erschrocken zur Seite hüpfen lässt). Dabei komme ich gut voran und die schönen Aussichten auf die Küste Kroatiens machen auch manche Anstrengung wett. Gleichzeitig ist das Wetter überraschend stabil.

Der Start des Trans Balkan Race beginnt mit traumhaften Aussichten auf die Küste Kroatiens
Blick auf die Küste Kroatiens

Schließlich beginnt jedoch ein knapp 20 km langer, zum Teil sehr steiler Anstieg in den Velebit-Nationalpark. Es ist extrem anstrengend und da es nur durch einen Wald geht sind auch die Aussichten nicht gerade motivierend. Darüber hinaus dämpft die Nachricht, dass es auf der Hütte am höchsten Punkt des Anstiegs kein Essen, sondern nur Getränke gibt, zusätzlich die Motivation. Als ich endlich dort ankomme bin ich ziemlich erschöpft und kann nur mithilfe von ein paar Bechern gutem Bergkaffee (der in einer großen Seelenruhe zubereitet wird) irgendwann wieder weiter fahren.

Der weitere Weg ist ziemlich grobschotterig und ich werde viel durchgeschüttelt (zu dem Zeitpunkt bin ich noch mit viel zu viel Reifendruck unterwegs). Wirklich schnell voran komme ich also nicht, aber dafür sehe ich meinen ersten Bären. Er trottet in dem Moment über die Straße, als ich gerade um die Kurve biegen möchte. Glücklicherweise habe ich ihn aus einiger Entfernung schon gesehen und kann ihn mit einem gezielten Bärenglockeneinsatz ins Gebüsch vertreiben 😉

Es ist schon spät, als ich endlich Gospic erreiche. Ich teile mir ein Apartment mit zwei anderen Racern, esse noch kurz etwas, kann aber leider trotz der Erschöpfung gar nicht so gut schlafen.

Tag 3: Von Gospic nach Mazin / Checkpoint 1 (107 km, 2814 hm)

Der Tag beginnt mit Kaffee und einem kleinen Frühstück, trotzdem bin ich nicht so richtig motiviert. Irgendwie habe ich mental noch nicht in das Rennen gefunden, frage mich immer wieder, warum ich das überhaupt mache und zähle gedanklich die Tage, wie lange es noch dauert bis ich endlich im Ziel bin (Kleiner Spoiler: Viel zu lange). Gleichzeitig habe ich Knieschmerzen und bin besorgt, wie sich das weiter entwickelt. Ich versuche den Cleat für meine Klickpedale ein bisschen nach hinten zu verstellen und glücklicherweise führt dies tatsächlich zu einer Linderung der Schmerzen.

Streckentechnisch geht es kurz über ein flaches Stück, bevor dann wieder das Klettern anfängt. Mittlerweile ist es brütend heiß und die Wege zwar fahrbar, aber trotzdem fühlt sich alles viel zu anstrengend ans. Als dann auch noch auf einem kurzen Abschnitt auf einer Straße ein Bus total nah an mir vorbei fährt bin ich wirklich am Ende mit meinen Nerven. Ich rufe meinen Mann an und heule nur noch. Ein überforderter anderer Racer hält an, fragt, ob alles in Ordnung ist und meint dann, ich könne ja einfach aufhören an dem ersten Checkpoint. Und tatsächlich ist das der Punkt an dem ich denke: ernsthaft? Einfach aufhören entspricht so gar nicht mir. So lange hatte ich mich auf die Tour vorbereitet und von Anfang an war klar, dass es nicht einfach werden würde. Also gebe ich mir selbst einen Arschtritt. Weg mit den Zweifeln, her mit der mentalen Stärke. Ich würde diese Tour jetzt zu Ende fahren und danach könnte ich immer noch beschließen, so etwas nie wieder zu machen. Und genauso wie das Verstellen des Cleats, so scheint auch das geholfen zu haben.


Was nicht heißt, dass ab jetzt alles easy ist. Vielmehr kämpfe ich mich weiter durch den Wald. Höhenmeter um Höhenmeter, Hauptsache nicht anhalten sondern immer weiter fahren. Als ich gedanklich quasi schon am Checkpoint bin fängt es an zu regnen, was alle Wege in kürzester Zeit in Schlamm verwandelt und ein richtiges Weiterfahren kaum möglich macht. Ich schiebe also und komme dementsprechend nur langsam voran. Aber schließlich bin ich endlich da. Ich werde mit einer großen Portion Nudeln empfangen und sehe bekannte Gesichter wieder. Leider beschließen einige hier aufzuhören und ja, es ist absolut verlockend. Aber ich möchte unbedingt noch die restliche Strecke sehen, die landschaftlich viel schöner sein soll.

Nachdem ich mich gestärkt habe überlege ich kurz noch weiter zu fahren. Allerdings hält der Regen weiterhin an und es ist sogar noch ein Unwetter angekündigt. Ich dusche also, ergattere eines der vier Betten im Checkpoint und finde mal wieder in einen eher unruhigen Schlaf (zu viele Schnarcher…).

Tag 4: Von Mazin auf eine Berghütte am Mt. Sinjal (145 km, 2918 hm)

Am Morgen breche ich um vier Uhr auf um weiter zu fahren, zuvor gab es jedoch noch einen guten Kaffee. Die Menschen am Checkpoint sind wirklich rund um die Uhr für uns Teilnehmenden im Einsatz was extrem schön und motivierend ist. Es geht zuerst recht gemächlich über ein paar Felder und ich freue mich dem Erwachen der Natur zuzuschauen, bis ich schließlich bemerke, dass ich meine Regenüberschuhe vergessen habe. Mist. Ich gehe jedoch davon aus, dass ich sie nicht mehr brauche (kleiner Spoiler: Falsch gedacht) und entscheide mich gegen einen 10 km Umweg.


Schon bald wird der Weg ziemlich matschig und ich muss immer wieder an Pfützen entlang schieben. Trotzdem komme ich ganz gut voran, bis mir plötzlich ein Stier gegenüber steht. Ein einzelner Stier. Die Worte von einer Freundin kommen mir in den Kopf, dass diese Tiere dann besonders gefährlich sind. Wir stehen uns kurz gegenüber, beide unschlüssig, was wir jetzt tun sollen. Ich beginne ganz langsam rückwärts zu laufen und der Stier setzt sich ebenfalls in Gang – zurück Richtung Weide. Ich bin erleichtert und setze meinen Weg fort. Kurze Zeit später muss ich zwei große Wachhunde passieren, die direkt auf dem Weg schlafen. Beide sind jedoch (vermutlich von der Nacht mit den ganzen Racern) so müde, dass sie nur kurz den Kopf heben und dann weiter schlafen.


Schließlich geht es den nächsten Anstieg hoch zum Boblja Pass. Ich beginne zu schieben was eigentlich auch mal eine ganz nette Abwechslung ist. Da auch der Downhill als ziemlich technisch angekündigt wurde behalte ich dies dann auch nach der Passhöhe bei, da ich einen Sturz auf jeden Fall vermeiden möchte. Als der Weg wieder fahrbarer wird fahre ich ein Stück mit einem anderen Racer zusammen und es tut gut, sich ein bisschen zu unterhalten. Leider fängt es recht bald an ziemlich heftig zu regnen und da meine Überschuhe ja immer noch fröhlich im Checkpoint vor sich hin gammeln sind meine Füße bald komplett nass. Aber irgendwie kommen wir auch über den nächsten Pass (er fahrend, ich schiebend) und schließlich hört es sogar kurz auf zu regnen und die Sonne kommt heraus.

Nach den letzten Tagen nur im Wald ist die Aussicht jetzt atemberaubend schön! Jetzt nur noch runter fahren nach Knin und dann ist dieser Abschnitt geschafft, denke ich. Aber schon bald fängt es wieder an zu regnen und der Weg bis zur Stadt zieht sich endlos. Als ich endlich ankomme bin ich komplett durchnässt und weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Ich sitze kurz in einem Imbiss, fahre dann zu Brian, der schon aufgeben will und sich daher ein Apartment genommen hat. Es gäbe tausend gute Gründe jetzt ebenfalls aufzugeben, aber ich möchte den zweiten Checkpoint einfach unbedingt erreichen! Und wie durch ein Wunder hört es da plötzlich auch auf zu Regnen und die Sonne kommt hervor.

Ich überlege also, wie ich es noch im Zeitlimit zum Checkpoint 2 schaffen könnte. Ich müsste heute noch mindestens 50 km und die nächsten drei Tage danach jeweils 150 km pro Tag fahren. Bei dem Gelände nicht wenig, aber durchaus machbar. Allerdings gibt es auf der weiteren Strecke erst mal keine Hotels mehr, weshalb ich die Nacht vermutlich draußen verbringen müsste. Nicht angenehm, aber auch nicht zu dramatisch. Also packe ich alles wieder zusammen, kaufe kurz ein und bin, noch bevor sich die Vernunft weiter zu Wort melden kann, wieder auf dem Weg. Und siehe da: Keine 10 km gefahren, da taucht plötzlich Brian hinter mir auf. Was für mich funktioniert, sollte ja eigentlich für ihn auch kein Problem sein, meint er schulterzuckend. Die Männer und ihr Ego, denke ich, freue mich aber natürlich sehr, dass er jetzt auch wieder mit dabei ist!

Mittlerweile haben sich die Wolken fast komplett verzogen und es geht über die Via Dinarica, ein Fernwanderweg über den Balkan. Ich telefoniere kurz mit einem Kumpel (ebenfalls begnadeter Ultracycler) und wir tauschen uns ein bisschen über die Vor- und Nachteile von Straße und Off-road aus. Beides hat seinen Reiz: auf der Straße kommt man natürlich viel schneller voran, dafür ist man jedoch selten wirklich abgeschieden und remote unterwegs.

Wasserfall
Wasserfall an der Via Dinarica
Weg mit Bergen im Hintergrund - weiter gehts mit dem Trans Balkan Race
Tolle Bergkulisse bei plötzlich traumhaftem Wetter!

Im Sonnenuntergang geht es dann einen weiteren Pass hoch, der aufgrund des vielen Schotters und steilen Anstiegen nur bedingt fahrbar ist. Trotzdem komme ich relativ bald über die Baumgrenze und mir wird klar, dass ich gar nicht mehr den Wetterbericht gecheckt habe. Mist! Am Himmel zeigen sich nämlich wieder dunkle Wolken und rund um mich herum gibt es keine Möglichkeiten sich unterzustellen. Gleichzeitig habe ich kein Handyempfang. Ich werde ein bisschen panisch und bin sehr erleichtert, als ich schließlich oberhalb weitere Racer sehe. Ich schließe zu diesen auf und und wir kämpfen uns ein Stück weiter den Berg hinauf.

Allerdings ist keinem von uns so richtig klar, wo wir heute Nacht schlafen werden. Die Überlegungen reichen von „ich fahre noch 60 km weiter über die bosnische Grenze“ bis hin zu „ich schlafe einfach gleich direkt ein wo ich bin“. Aber als wir gerade anhalten um einem anderen Fahrer mit einer Reifenpanne beizustehen ruft es plötzlich von oben: „Theres a Hut! With Fire!“. Wir fliegen förmlich die letzten Meter nach oben und sind unendlich erleichtert, als wir schließlich die Schutzhütte erreichen. Was für ein Traum!


Leider hat das mit dem Feuer nicht geklappt, aber trotzdem fühlt es sich gut an ein festes Dach über dem Kopf zu haben – wenn nur das laute Geschnarche der anderen nicht wäre 🤭

Eine öffentlich zugängliche Schutzhütte
Die rettende Schutzhütte an der Passhöhe
Tag 5: Von der Berghütte am Mt. Sinjal nach Donji Gvodzac (148 km, 3165 hm)

Ich bin immer noch total müde, als es am nächsten Tag weiter gehen soll. Ich lasse die anderen vorfahren und nehme mir ein paar weitere Minuten Zeit um den Sonnenaufgang zu betrachten und wach zu werden. Die Bergkulisse ist wunderschön! Aber es hilft nichts, irgendwann muss ich weiter (zu dem Zeitpunkt hat schon das Rennen gegen die Schnecke begonnen, die sich unaufhaltsam fortbewegt und quasi den virtuellen Besenwagen darstellt).

Allerdings mache ich mir zunehmend Sorgen um meine Hinterradbremse die stark schleift und quietscht und tatsächlich, die Bremsbeläge sind komplett runter und müssen getauscht werden. Dies nimmt natürlich auch wieder einiges an Zeit in Anspruch, aber ich bin extrem froh, dass ich vor der Abreise noch Ersatzbremsbeläge eingepackt habe. Ansonsten sonst wäre meine Tour an diesem Punkt wohl erst mal zu Ende gewesen….(an dieser Stelle auch noch mal ein großes Dank an den Trek-Store in Ulm!)


Auf einer Asphaltstraße geht es über die Bosnische Grenze und dann nach dem Erreichen der Passhöhe runter nach Livno. Dort kaufe ich eine SIM-Karte, frühstücke (bzw. brunche, mittlerweile ist es nämlich schon um die Mittagszeit) und fahre dann wieder weiter. Es geht über ein Hochplateau (Cingar Highlands), um mich herum nur weite Landschaften und tolle Ausblicke. Dazu perfektes Wetter, nicht zu warm, nicht zu kalt, kein Regen. Gegen Abend überkommt mich dann noch mal eine weitere Energiewelle und ich fliege förmlich im Sonnenuntergang über perfekt fahrbare Trails durch eine einzigartige Wiesenlandschaft. Es ist einfach wunderschön und ich bin komplett in meinem Element!

Weg mit sehr vielen Pfützen
Pfützen-Hürdenlauf
Wildpferde
Die letzten wilden Pferde Europas in den Cingar-Highlands

Nachdem ich einige Stunden so gefahren bin finde ich gegen halb 12 eine alte Schutzhütte mit einer Bank und baue dort mein Nachtquartier auf. Das erste Mal während dem Rennen kann ich richtig gut schlafen und wache erst wieder auf, als im Morgengrauen die ersten Racer vorbei fahren.

Wunderschöner Sonnenuntergang im Abenteuer-Balkanland
Wunderschöner Sonnenuntergang
Tag 6: Von Donji Gvodzac nach Susteri (184 km, 3226 hm)

Die Fahrt im Sonnenaufgang ist wieder wunderschön. Ich versuche ein paar Bilder zu machen, aber die Stimmung lässt sich mit der Kamera nur schwer einfangen. Der Nebel steht tief, die ersten Sonnenstrahlen fallen auf den Boden, die Vögel zwitschern. Ich liebe diese Momente in denen die erst Welt erwacht, man selbst aber schon wieder am Radfahren ist.

Sonnenaufgang im Blidinje Nature Park
Sonnenaufgang im Blidinje Nature Park

Es geht weiter durch das Bergpanorama einen kleinen Trail nach oben und schließlich eine sehr lange Abfahrt runter nach Mostar. Auf diese Stadt war ich sehr gespannt und sie stellte für mich immer ein bedeutsames Zwischenziel dar. Und ich werde nicht enttäuscht! Überall sitzen Menschen beim morgendlichen Kaffeetrinken in einem der zahlreichen Bars und Restaurants. Die berühmte Brücke Stari Most lässt sich wunderbar fotografieren und die gesamte Bergkulisse ist total schön. Hier möchte ich unbedingt noch mal hin und mehr Zeit verbringen!

Stari Most Brücke in Mostar - Hälfte des Trans Balkan Race geschafft!
Stari Most Brücke in Mostar

Ich decke mich kurz mit Lebensmitteln ein und mache mich dann noch auf die Suche nach neuen Bremsbelägen. Leider gibt es in ganz Mostar keine von SRAM, und so geht es eben ohne weiter. Rückblickend betrachtet hätte ich damals mehr Zeit in die Suche investieren (bzw. mir Alternativpläne überlegen sollen), aber in dem Moment wollte ich einfach nicht noch mehr Zeit verschwenden.

Es geht wieder einige Höhenmeter nach oben, mittlerweile steht die Sonne hoch am Himmel und es ist brütend heiß. Weit und breit gibt es keinen Schatten und ich bekomme ein bisschen Sorge, dass meine Wasservorräte nicht ausreichen. Ich beginne zu rationieren und komme rechtzeitig vor dem letzten Tropfen am nächsten kleinen Supermarkt an. Dort haben sich auch schon einige andere Racer versammelt, wir sitzen im Schatten und essen Eis, bevor es dann wieder weiter geht. Ich muss unbedingt noch ein paar Akkus laden, weshalb ich kurze Zeit später noch mal an einem Restaurant anhalte um etwas zu essen. Dies führt dazu, dass die anderen alle an mir vorbei fahren, gleichzeitig muss ich den nächsten Pass nicht mehr in der Hitze machen und kann die schöne Landschaft umso mehr genießen.

Als ich schließlich gegen 19 Uhr in dem Ort hinter dem Pass (Ulog) ankomme fahre ich an einem weiteren Restaurant vorbei. Eigentlich möchte ich nicht anhalten, aber die draußen sitzenden Gäste rufen und so unterbreche ich meine Fahrt natürlich noch mal kurz. Es handelt sich um ein deutsches Filmteam, welches eine Dokumentation über den gefährdeten Fluss in dieser Region dreht. Da ich die 30te Besucherin an diesem Tag bin werde ich direkt von den bosnischen Besitzern des Restaurants zum Abendessen eingeladen, aber das muss ich leider ablehnen, da ich noch ein Stück weiter fahren möchte. Das ist natürlich der große Nachteil an solchen Rennen, man steht ständig unter Stress und hat wenig Möglichkeiten auf spontane Einladungen zu reagieren.

Ein bisschen wehmütig mache ich mich also weiter auf den Weg, wobei mich die Sonnenuntergangsstimmung und später der Sternenhimmel schnell wieder in ihren Bann zieht. Ich höre einen Podcast und trete meditativ vor mich hin (da ich auch keinen Handyempfang habe gibt es keine Möglichkeit, sich von der Schnecke stressen zu lassen ;)) Schließlich geht es noch mal sehr viele Höhenmeter nach oben (das hatte ich beim Blick auf das Höhenprofil etwas unterschätzt), aber immerhin habe ich ganz oben kurz Empfang und sehe, dass einige andere Racer schon am Fuß des nächsten Anstiegs kampieren. Ich fahre also noch etwas weiter und erreiche schließlich das Nachtlager. Alle schlafen schon, also baue ich leise mein Biwack auf und schlafe ebenfalls bald tief und fest.

Natur im Sonnenaufgang
Sonnenaufgang in Bosnien
Moschee, die für uns als Biwakplatz gedient hat
Kollektiver Gruppen-Biwakplatz
Tag 7: Von Susteri nach Popov Most/ Checkpoint 2 (127 km, 2853 hm)

Um halb fünf geht es gemeinsam mit einem anderen Rennteilnehmer weiter. Wir fahren den Pass hoch, der Untergrund ist gut und durch das Gespräch verfliegen die Höhenmeter nur so. Oben angekommen frühstücken wir erst mal und genießen wieder das Bergpanorama, bevor es dann wieder nach unten geht.

Bergpass in Bosnien
Einsamer Bergpass irgendwo in Bosnien…

Der Weg zieht sich, es gibt immer wieder steile Gegenanstiege, aber insgesamt ist alles gut fahrbar und macht Spaß. Beim nächsten Resupply-Point fülle ich nur kurz meine Flaschen auf, bevor ich dann wieder weiter fahre und den nächsten Pass in Angriff nehme. Dieses Mal geht es auf groben Schotterwegen nach oben, was natürlich deutlich anstrengender ist als auf Asphalt oder feinem Gravel. Aber dank eines guten Podcasts verfalle wieder in einen guten Tretrhythmus und erreiche so relativ problemlos die Passhöhe. Dort wieder kurz Pause machen, was essen und auf die Abfahrt vorbereiten, da diese aufgrund des groben Untergrunds ziemlich viel Konzentration erfordert. Doch ich komme ohne Probleme nach unten und erreiche schließlich nach einem weiteren kleinen Hügel den lang ersehnten Checkpoint 2. Um 17:30 Uhr also mit noch ein bisschen Puffer zur Cutoff-Zeit um 24 Uhr.

Ich esse vier Teller Nudeln (danke an das Checkpoint-Team!) und nehme mir dann ein Zimmer in einem kleinen Hotel in der Stadt. Dort wasche ich mich und meine Sachen, checke noch mal mein Bike durch, beantworte ein paar WhatsApp-Nachrichten und falle in einen sehr tiefen Schlaf. Nach dem Sprint zum Checkpoint fühlt es sich fast so an als sei das Rennen geschafft und es ist nicht so leicht sich körperlich und mental darauf einzustellen, dass jetzt noch ein Abschnitt kommt. Aber dieser beinhaltet ja zum Glück ein besonderes Highlight: Den Durmitor Nationalpark!

Ein Pavillon mit sehr vielen Racern
Checkpoint 2
Tag 8: Von Popov Most nach Dugi Do (131 km, 3561 hm)

Ich wache um fünf Uhr morgens auf und mein ganzer Körper tut weh. Ich mache ein paar Dehnübungen, packe mein Zeug zusammen und rolle dann zum Supermarkt, an dem ich mich erst mal mit einem Kaffee und 7-Days Croissants stärke. Danach geht es das Tal zurück entlang der Tara, einem Fluss der für seine vielen Wasserfälle und Stromschnellen bekannt ist und daher ein Paradies für Abenteuerlustige darstellt. Aktuell sehen die Raftingcamps jedoch relativ verlassen aus, vermutlich kommt die Haupt-Urlaubszeit erst noch.

Schon nach wenigen Kilometern überquere ich die Grenze nach Montenegro und dann beginnt auch schon der Anstieg in den Durmitor Nationalpark. Dieser ist gut fahrbar, erst auf Asphalt und dann auf flowigen Singletrails und es macht extrem viel Spaß (und übertrifft landschaftlich auch noch mal alles, was ich auf der Tour bis dahin gesehen habe).

Wiesen, Wald und dann imposante Berge
Auf dem Weg zum Durmitor Nationalpark
Blick auf einen Canyon mit tiefblauem Wasser
Blick auf den Piva Canyon

Leider ändern sich relativ schnell sowohl die Untergrundverhältnisse als auch das Wetter, die Sonne steht mittlerweile im Zenit und es ist brütend heiß. Außerdem verlassen mich zunehmend die Kräfte. Ich wechsele mein T-Shirt auf ein langärmliges, versuche so viel wie möglich zu trinken und einfach immer weiter zu fahren (bzw. zu schieben). Schließlich erreiche ich eine Passstraße und dann geht es auf Asphalt über zwei Pässe bis in den relativ bekannten Skiort Zablijak. Dort komme ich mir in meinen dreckigen Klamotten im Vergleich zu den ganzen gut riechenden Touristen noch heruntergekommener vor, als ich ohnehin schon bin. Dementsprechend bin ich fast froh, als ich nach einem großen Abendessen wieder in die Wildnis aufbrechen darf.

Hütte im Durmitor-Nationalpark
Durmitor – einfach nur unbeschreiblich schön!

Ich nutze den Telefonempfang um mit einer Freundin zu telefonieren und mir somit noch ein bisschen die Zeit zu vertreiben, bevor ich dann wieder in das Hinterland ohne Mobilfunkempfang fahre. Dort beginnt recht bald schon der nächste Anstieg. Ich sehe am Wegesrand, dass dort ein anderer Fahrer schon sein Nachtquartier aufgebaut hat und bin kurz versucht, mich auch dort hin zu legen. Aber ich möchte noch ein bisschen weiter fahren, da der nächste Tag sowieso schon herausfordernd genug werden würde.

Nach einigen Kilometern beginne ich jedoch schon mit meiner Entscheidung zu hadern, da der Weg zunehmend ausgesetzt ist und keinen Schutz mehr bietet. Als ich schließlich am Wegesrand eine alte Bauruine sehe, nutze ich die Chance, baue mein Nachtquartier auf und wie durch ein Wunder habe ich auch genau an diesem Ort Handyempfang. Großartig! Ich gebe meinem Mann kurz Bescheid, dass ich gut angekommen bin, esse noch meine aus Zablijak mitgebrachten Backwaren und schlafe dann unter dem Sternenhimmel ein. Es ist komplett ruhig und auch, wenn ich noch nie so abgeschieden geschlafen habe fühle ich mich total sicher.

Biwak mitten im Nirgendwo
Mein Nachtlager irgendwo im nirgendwo…
Tag 9: Von Dugi Do nach Niksic (142 km, 3335 hm)

Ich wache um 3:30 Uhr auf und bin um vier Uhr dementsprechend schon wieder auf dem Bike. Im Race-Manual wird dieser Abschnitt als besonders Remote beschrieben und tatsächlich, es fühlt sich so an als gäbe es keine anderen Menschen auf dieser Erde. Ein cooles, aber zeitgleich auch etwas unheimliches Gefühl (da dies auch bedeutet: Wenn jetzt irgendwas ist bin ich komplett auf mich alleine gestellt).

Montenegros Hinterland – wenige Menschen, kein Handyempfang, keine Resupply-Möglichkeiten…

Mein Weg führt mich direkt in eine Richtung, aus der immer wieder dumpfe Schussgeräusche zu hören sind und als ich schließlich in dem Jagdgebiet angekommen bin fühlt es sich tatsächlich so an, als würden die Patronen direkt an mir vorbei fliegen. Ich bin froh, als ich diese Passage endlich überwunden und nicht mehr auf das Zielglück irgendeines Jägers im Morgengrauen vertrauen muss.

Leider sind die Wege nicht gut fahrbar und ich muss immer wieder schieben. Vielleicht auch in Kombination mit Hunger und Kaffeedurst fange ich an alles etwas zu dramatisch zu sehen und bin froh, als ich endlich wieder zurück in die Zivilisation kehre. In dem Moment bin ich ernsthaft am überlegen aufzuhören, da ich nicht weiß, wie ich noch mal einen solchen Abschnitt (der darüber hinaus noch länger ist) überstehen soll.

Den Satz von Lael Wilcox im Hinterkopf – „You can always quit later“- gönne ich mir jedoch erst mal ein großes Frühstück auf einem unglaublich schönen Campingplatz (Camp Lipovo, große Empfehlung, da mal hin zu gehen!). Die Betreiber sind total nett, versorgen mich, muntern mich auf und versichern mir, dass der nächste Abschnitt machbarer ist. Gleichzeitig führen Wolken dazu, dass die Sonne nicht mehr ganz so erbarmungslos brennt und so beschließe ich, es doch noch mal zu versuchen.

Auf dem Weg zum nächsten Anstieg treffe ich auf ein Pair (bei dem Rennen darf man entweder alleine oder zu zweit starten), welches aufgrund eines abgebrochenen Schaltwerkes nur noch einen Gang an einem der Bikes hat und die daher alle Anstiege nach oben schieben müssen. Ich bin motiviert mit ihnen mitzuhalten und somit beginnt ein Katz-und Maus Spiel: In den Anstiegen überhole ich sie, in den Abfahrten überholen sie mich dann wieder. Wir kämpfen alle mit der Anstrengung und es fällt schwer, das einzigartige Panorama dabei richtig zu würdigen. Vielmehr geht es darum einfach immer weiter zu fahren (bzw. zu schieben), genug zu essen und zu trinken und zu hoffen, dass sowohl die Bremsen nicht aufgeben als auch das Wetter hält. Als die Sonne gerade am untergehen ist haben wir es schließlich geschafft – wir sind am letzten Off-Road Anstieg der Tour angekommen. Ab hier heißt es nur noch runterrollen nach Niksic, dort noch etwas essen und schlafen bevor es dann die letzten Kilometer bis zum Ziel geht.

Abenteuer im Hinterland von Montenegro - Trans Balkan Race fast geschafft!
… aber dafür eine unbeschreiblich schöne Landschaft!
Tag 10: Von Niksic nach Risan / Finish (71 km, 733 hm)

Der letzte Tag ist großartig. Es geht zwar noch mal einen kleinen Anstieg nach oben, jedoch durchgehend auf Asphalt und die Aussicht ist auch wieder wunderschön. Ich bin froh, diesen Abschnitt nicht noch in der Nacht zuvor gefahren zu sein, sondern nach ein bisschen Schlaf und im Tageslicht. Ich resümiere noch mal die Tour, versuche ordentlich in die Pedalen im Anstieg zu treten und gleichzeitig beim Bergabfahren möglichst langsam zu sein, um meine heruntergefahrenen Bremsen zu schonen. Und schließlich bin ich da, der so lange herbeigesehnte Blick über die Bucht von Kotor öffnet sich.

Ich genieße kurz den Moment, mache ein paar Bilder und dann geht es die Serpentinen runter zum Ziel. Dort werde ich herzlich empfangen, es gibt viele Glückwünsche, Schulterklopfer und natürlich die obligatorischen Nudeln. Wie auch beim Abschluss des Three Peaks Bike Race kann ich es noch gar nicht richtig fassen und bin anstelle von überschäumenden Emotionen eher relativ leer und gefühlsneutral. Auch hier kommt die Realisation darüber, was ich alles geschafft habe erst einige Tage später.

See mit einzelnen Inseln
Ein letztes Mal die Aussicht genießen…
Das Trans Balkan Race ist geschafft - ich bin am Ziel!
…bevor ich dann endlich am Ziel bin!

Noch in Radklamotten hüpfe ich ins Meer, dusche, checke dann in mein Apartment ein und schlafe erst mal eine Runde, bevor es am Abend zur Beachparty geht. Die Stimmung ist großartig und ich genieße es die Zeit mit den anderen zu verbringen und Geschichten auszutauschen. Genau diese Momente machen den Reiz von Ultradistanz-Rennen aus, das gemeinsame Leiden und gemeinsame erleben von Höhenflügen.

Es ist ein bunter Mix an unterschiedlichsten Leuten: Von jungen Menschen, die gerade ihr Studium beendet haben bis hin zu älteren Herrschaften, die schon einige Jahre mehr Lebenserfahrung haben. Von begnadeten Radfahrern bis hin zu Bikeneulingen wie mir. Uns alle verbindet der Hang zum Extremen und der Wunsch die Grenzen neu auszuloten. Was allerdings fehlt sind die Frauen: Auch bei diesem Rennen sind von über hundert Teilnehmern nur 6 gestartet. Ich hoffe wirklich sehr, dass sich dies in Zukunft ändert und sich mehr Frauen auch für solche Events anmelden. Denn die Teilnahme an diesem ist wirklich eine großartige Erfahrung und nichts, was ausschließlich Männern vorbehalten sein sollte! 🙂

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Radrennen

Three Peaks Bike Race Ausrüstung

Neben dem Training und der Routenplanung war ein wichtiger Bestandteil meiner Vorbereitung für das Three Peaks Bike Race die Wahl der passenden Ausrüstung. Denn während ich bis jetzt vor allem auf klassischen Radtouren mit großen Gepäcktaschen unterwegs war, wollte ich mich bei diesem Abenteuer auf das Wesentliche reduzieren. Statt einem Zelt oder Biwacksack hatte ich daher nur eine dünne Picknickdecke dabei und statt mehreren Wechselklamotten nur jeweils ein Fahrrad- und Schlafoutfit.

Da das Three-Peaks dementsprechend auch mein erstes Ultradistanz-Rennen war, musste ich noch einige Ausrüstungsgegenstände kaufen (was natürlich die Kosten für so ein Rennen dann noch mal deutlich in die Höhe treibt…). Ich entschied mich dafür an Investitionen wie dem Schlafsack, der Isomatte oder der Bib-Short nicht zu sparen, dafür jedoch bei den Gepäcktaschen und dem Trikot auf etwas günstigere (aber auch nicht unbedingt schlechtere!) Modelle zurück zu greifen. Hier ist einmal die komplette Auflistung meiner Ausrüstung. Ich habe jeweils verlinkt, wo ich die Sachen gekauft habe, hierfür bekomme ich jedoch nichts. Kaufe sie also gerne wo du magst (und optimalerweise auch lokal oder gebraucht).

Fahrrad und Technik

MaterialVorteileNachteile
Rennrad von Rose (Pro SL 105)Ein wirklich gutes Einsteiger-Rennrad! Ich hatte es mir schon vor einigen Jahren gekauft und damit nie Probleme gehabt – gute Sitzposition und nahezu unverwüstliche Komponenten. Keine Scheibenbremsen und sehr dünne Reifen (da wir fast nur gutes Wetter hatten war das okay, bei schlechterem Wetter vermutlich etwas problematischer).
Werkzeugbox (von Decathlon, passt in den Getränkehalter)– Multitool, Luftpumpe, Ersatzschlauch und Reifenheber (kein Schaltauge ;))Minimalausstattung, die in Anbetracht der hohen Fahrradladen-Dichte vollkommen ausgereicht hat. Offroad sieht das vermutlich etwas anders aus, da würde ich etwas mehr mitnehmen.
Powerbank INIU (10000 mAh)Klein und leicht mit LED- Ladestandsanzeige (sehr praktisch, da man so immer genau weiß, wie viel Energie man noch hat).Die Stromversorgung war auf der Tour der kritische Punkt, da ich stets Handy, Wahoo, Fahrradlichter und Tracker laden musste. Zukünftig würde ich daher in einen Dynamo investieren.
HAMA USB-A 4 Port SchnellladegerätExtrem praktisch, da man oft auf Campingplätzen/Hostels/Cafès nur eine Steckdose zur Verfügung hat.
Wahoo Element Bolt (ausgeliehen von Paceheads)Für die Vorbereitungstouren habe ich mit meiner Garmin Forerunner 945 immer sehr gut navigiert, für das Race wollte ich dann aber doch einen Fahrradcomputer haben. Der Verleih lief total problemlos und war ziemlich günstig (ca. 30 Euro für 1 Monat).Leihen lohnt sich, wenn das Budget begrenzt ist. Bei wem das keine Rolle spielt (oder wenn man eh schon immer mal einen Fahrradcomputer haben wollte), empfehle ich den Wahoo direkt zu kaufen. Sehr gutes Navigationsgerät!
FahrradlampenNo-Name Produkte die ich noch daheim hatte. Ich habe hier gespart und das sollte man auf keinen Fall tun! Großer Sicherheitsaspekt!
Olight
Halterung
für Helmlampe
Extrem praktische und vielseitig einsetzbare Halterung für eine Lampe am Helm. Diese würde ich auf jeden Fall empfehlen, da man damit auch mal den Wahoo ablesen oder in eine Ecke leuchten kann.
Mini-SchlossKann man vermutlich mit einer Zange aufbrechen, aber um das Fahrrad mal kurz vor dem Supermarkt stehen zu lassen reicht es auf jeden Fall.

Schlafen und Hygiene

HELIUM 400 – DaunenschlafsackToller Schlafsack! Lässt sich sehr klein verstauen und ist trotzdem total warm und gemütlich.Für die Bedingungen bei dem Rennen hätte vermutlich auch ein dünnerer Schlafsack gereicht. Ich friere nachts jedoch schnell und wollte daher nichts riskieren.
Ultra 3R Isomatte von ExpedSehr bequem und geräuscharm.Großer Pumpsack, der das Aufpumpen der Matratze etwas umständlich macht.
PicknickdeckeBeste Investition! Schützt die Isomatte und den Schlafsack vor Schmutz, wenn man ohne Zelt biwakiert und ist gleichzeitig wirklich klein und leicht.Da man bei dem Three Peaks fast immer die Möglichkeit hat, bei schlechtem Wetter in einem Hotel oder überdachten Unterstand zu übernachten kann man das Rennen (in meinen Augen) sehr gut ohne Zelt oder Biwacksack fahren.
Kissen (Ultraleicht!)Luxusgegenstand, der den Schlaf jedoch um einiges erholsamer macht!Man möchte gar nicht mehr aufstehen, was in so einem Race natürlich auf Kosten der Platzierung geht 😉
Airlite Towel ReisehandtuchWürde ich auf jeden Fall wieder mitnehmen. Sehr praktisch für die Katzenwäsche zwischendurch.
Zahnbürste, Zahnpasta, Sonnenmilch, Kontaktlinsen, Sitzcreme, Pflaster, Mullbinde, Rettungsdecke Ich bin mit Kontaktlinsen gefahren und hatte da keine Probleme. Habe allerdings für das Rennen etwas hochwertigere mit einer längeren Tragezeit gekauft und ein Paar als Ersatz dabei gehabt.

Kleidung

Bib-Short von AssosAn der Bin-Short würde ich definitiv nicht sparen. Insbesondere eine Schnalle ist sehr viel wert und das Sitzpolster sollte wirklich gut zum Hintern und Sattel passen! Die Bib-Short von Assos erwies sich leider als nicht so robust (Die Träger sind z.B. zum Teil schon nach wenigen Tagen Nutzung eingerissen).
Trikot von AGUGünstig und robust. Ist halt kein Rapha 😉 Und nächstes Mal würde ich noch ein Wechseltrikot einpacken.
Regenjacke von AGUSehr kleines Packmaß, günstig, hochwertig verarbeitet.Leider nicht wirklich wasserdicht und atmungsaktiv. Hier würde ich zukünftig eher in hochwertigere Jacken wie z.B. die Gore Shakedry investieren.
Armlinge und BeinlingeWürde ich auf jeden Fall wieder mitnehmen. Insbesondere für Passabfahrten oder wenn es morgens noch kalt ist sind die echt super!
Icebreaker Micropuff-JackeHabe ich schon seit vielen Jahren und leistet mir immer noch gute Dienste.
Ortovox FleecejackeAbsolute Lieblingsjacke, die den hohen Kaufpreis auf jeden Fall wert ist! Lässt sich klein verstauen und hält sehr warm.
Sportleggins + T-ShirtDienten als Wechselklamotten für die Nacht und würde ich auf jeden Fall wieder mitnehmen. Das tut wirklich gut, die verschwitzten Sachen abends mal ausziehen zu können.

Fahrradtaschen/Sonstiges

AGU Seat-Pack VentureSehr gute Tasche, die fest sitzt und nicht wackelt. Sehr praktisch sind auch die Gummizüge, mit denen sich einiges auf der Tasche befestigen lässt.Die Wasserdichtigkeit ist vermutlich der kritische Punkt. Aber in Kombination mit einem Dry-Back sollte das kein Problem sein!
AGU Tube Rahmentasche Sehr robust, stabil und passt auch in kleine Rahmen.Leider ebenfalls nur wasserabweisend und nicht wasserdicht (wird von dem Hersteller jedoch auch so beschrieben).
Kleine OberrohrtascheGeräumig und mit viel Platz für alles, was man griffbereit dabei haben möchte.
Woho Seat-Stabilizer Sehr praktisch für die Trinkflaschen, wenn diese bei Verwendung einer Rahmentasche nicht mehr in den Rahmen passen.Die mitgelieferte Befestigung hält nicht, daher lieber mit ein paar Schrauben und Muttern nachhelfen.

Ausrüstung: Fazit

Was die Ausrüstung für ein Ultradistanz-Rennen angeht, so kann man natürlich viele Stunden in die Optimierung investieren: Welcher Schlafsack bietet den besten Komfort bei geringstem Packmaß? Soll ich lieber die Rahmentasche von Marke X oder Ynehmen? Welche Bib-Short passt mir am Besten? Wenn man wie ich nicht gesponsert wird (und ein begrenztes Budget zur Verfügung hat), muss man natürlich priorisieren und hier und da auch Abstriche machen. Insgesamt versuche ich stets, vorhandenes Material zu nutzen und wenn das nicht geht möglichst hochwertige, langlebige Produkte zu kaufen, die gut in Testberichten abschneiden und/oder viele positive Rezensionen haben.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich mit meiner Ausrüstung für das Three Peaks Bike Race wirklich sehr zufrieden war und nur minimale Anpassungen bei der nächsten Tour machen würde. Einen kompletten Rennbericht gibt es hier. Und falls du noch Fragen zu der Ausrüstung oder dem Rennen allgemein hast, schreib mir gerne eine Mail!

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Fünf Dinge, die ich bei dem TPBR 2023 gelernt habe

  1. Ich bin dafür verantwortlich, dass es mir gut geht.

Habe ich gerade Hunger? Bin ich müde? Möchte ich in ein Hotel? All das sind total entscheidende Fragen und meistens gibt uns der eigene Körper darauf die richtigen Antworten. Man sollte sich häufiger erlauben auf diese zu hören und versuchen, die eigenen Bedürfnisse gegenüber anderen Menschen durchzusetzen.

Interessanterweise habe ich in den letzten Wochen oft an die Tour zurück gedacht. Und mich auch im Alltag, insbesondere dann, wenn es mir nicht so gut ging reflektiert: wie kann ich mir genau jetzt etwas gutes tun? Und ich habe gelernt, mich besser abzugrenzen und einfach auch zu sagen: ich muss jetzt schlafen! Ich muss jetzt essen! 

  1. Es lohnt sich Dinge zu machen, die einem Angst machen/ unsicher erscheinen. 

Mitten in der Nacht Fahrrad fahren? Einen Pass im Dunkeln erklimmen? Draußen schlafen? 

Bei all diesen Erlebnissen hat es sich gelohnt, die eigene Angst zu überwinden. Denn dies wurde mit den besten Erlebnissen quittiert und die Ängste sind glücklicherweise nie wahr geworden! 

Auch jetzt muss ich mich immer noch überwinden Dinge zu tun. Beispielsweise alleine in die Berge zu fahren oder im Wald übernachten. Ich tendiere dazu, dann doch die Gemeinschaft zu suchen und die Aktivitäten mit anderen zusammen zu machen. Aber ich versuche, mich immer wieder bewusst an meine Erlebnisse zurück zu erinnern und auch im Alltag herauszufordern.

  1. Situationen können sich unglaublich schnell ändern.

Der Tag in den Dolomiten war wirklich unfassbar anstrengend! Aber was für eine Wendung alles genommen hat, als ich den anderen Racer getroffen habe und wir uns ein Zimmer teilen konnte. So konnten wir duschen und ein richtig tolles Essen genießen. Und dann drinnen schlafen, während draußen das Gewitter getobt hat.

Auch im Alltag wechseln sich Hochs und Tiefs ja oft ab. Man kann eben nicht immer gute Laune haben und man kann sich nicht immer gut fühlen. Manchmal zweifelt man an sich. Manchmal hat man Angst. Manchmal ist einem einfach alles zu viel. Aber das ist okay und das gehört zum Leben dazu! 

  1. Erst Durchatmen, dann verzweifeln. 

Nach meinem Unfall hatte ich wirklich das Gefühl: jetzt ist die Tour vorbei! Einfach, weil mein Fahrrad so demoliert ausgesehen hat und ich die Schwere der Schürfwunden nicht ganz einschätzen konnte. Aber es hat sich gelohnt, sich einfach einmal in Ruhe hin zu setzen, durchzuatmen und den Schaden zu begutachten: ist es wirklich so schlimm, wie ich denke? Kann ich das nicht wieder reparieren? Und genau so war es dann ja auch.

Fix your own problems ist ein Zitat von Jenny Tough, der mir seit der Tour immer wieder im Kopf rum schwirrt und der sich auch sehr gut auf den Alltag anwenden lässt. Egal was für Herausforderungen auch auf einen zukommen – es lohnt sich selber Verantwortung dafür zu übernehmen und Lösungen zu finden. 

  1. Das Leben ist einem nichts schuldig.

Warum bin ich nicht schneller? Warum musste ich stürzen? Diese Gedanken haben mich während der Tour manchmal beschäftigt. Ich musste mir immer wieder bewusst machen, wie unglaublich privilegiert ich bin, dass ich diese Tour machen darf. Dass ich genug Geld habe und die körperliche Fitness.

Auch das habe ich versucht auf den Alltag anzuwenden. Statt mich darüber zu ärgern, wie viel Stress ich gerade auf der Arbeit habe, habe ich versucht dankbar zu sein, DASS ich überhaupt eine Arbeit habe. Und statt neidisch auf die zu schauen, die – in den eigenen Augen – schon viel mehr erreicht haben, auf die, die weniger weit sind. Oder es gar nicht erst versucht haben. 

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Three Peaks Bike Race 2023 Rennbericht

Inhalt:

  1. Hinreise nach Wien
  2. Tag 1: Wien nach Göstling (Österreich)
  3. Tag 2: Göstling nach Ellmau (Österreich)
  4. Tag 3: Ellmau nach Sankt Leonhard in Passier (Alpen)
  5. Tag 4: Sankt Leonhard in Passier nach San Giovanni di Fassa (Dolomiten)
  6. Tag 5: San Giovanni di Fassa nach Mailand
  7. Tag 6: Mailand nach Oulx (Susatal)
  8. Tag 7: Oulx nach Andance (Frankreich)
  9. Tag 8:Andance zum Puy Mary (Massif Central)
  10. Tag 9: Puy Mary nach Toulouse
  11. Tag 10: Toulouse nach Boutx (Pyrenäen)
  12. Tag 11: Boutx nach Calaf (Spanien)
  13. Tag 12: Boutx nach Barcelona

07. 08 2023 – Hinreise nach Wien

Vor dem Start des Rennens bin ich ziemlich aufgeregt. Werde ich es bis nach Barcelona schaffen? Was ist, wenn ich Schmerzen bekomme? Was ist, wenn mein Rad kaputt geht?

Im Zug von München nach Wien sind in meinem Abteil noch drei andere Rennradfahrer:innen, deren Räder verdächtig nach Ultracycling-Teilnahme aussehen. Mit einer Fahrerin komme ich näher in Kontakt und wir reden ein bisschen über unsere Vorbereitung und die geplante Strecke. Anders als bei anderen Events, bei denen die Route fest geplant ist, muss beim TPBR jede:r Fahrer:in die Strecke zwischen den obligatorischen Checkpoints und Parcours selber planen. Da der zweite Parcour in beide Richtungen befahren werden durfte, ergaben sich in diesem Jahr zwei große Routenoptionen: Entweder von Norden nach Süden und dann über Italien oder von Süden nach Norden und dann über die Schweiz. Mein Plan war eigentlich von Anfang an Option 1 gewesen, doch schon in den letzten Tagen vor dem Rennen hatte ich zunehmend angefangen daran zu zweifeln. Als dann die andere Teilnehmerin ebenfalls erzählt, dass sie über die Schweiz fährt, frage ich mich erneut, ob ich das nicht auch hätte machen sollen. Während der restlichen Zugfahrt versuche ich diese Strecke also noch notdürftig auf dem Handy zu planen, aber so richtig gut klappt das nicht.

In Wien angekommen geht es dann erst mal zum Bike-Check und wir bekommen unsere Cap und den Tracker. Die Stimmung ist gut, auch, wenn alle ziemlich aufgeregt sind. Mit einem Teil der Gruppe verabrede ich mich zu einem gemeinsamen Abendessen. Wir reden ein bisschen über unsere Vorbereitungen zu dem Rennen und womit wir uns so verrückt gemacht haben. Alle sind total nett und es herrscht überhaupt keine Konkurrenzstimmung. Und ich finde sogar jemanden, der genau die gleiche Route fahren möchte wie ich – endlich! Ansonsten scheint aber doch ein Großteil über die Schweiz zu fahren, mir wird jedoch Mut gemacht, jetzt nicht noch mal alles über einen Haufen zu werfen, sondern wie geplant zu fahren – was sich hinterher auch als genau die richtige Entscheidung herausstellt.

Trotz der guten Gesellschaft verabschiede ich mich früh und fahre zu meinem Hotel, da ich in der Nacht zuvor kaum geschlafen hatte und ziemlich müde bin.

Tag 1: 09 Juli 2023 – Wien nach Göstling (Österreich) (178 km, 2.560 hm)

Am nächsten Morgen wache ich sehr gut ausgeschlafen aus und mache mir erst mal einen Kaffee. Anschließend stelle ich meinen Wahoo und die Garmin Uhr auf minimalen Stromverbrauch ein und stelle sicher, dass alle Routen geladen sind. Anschließend geht es los Richtung Innenstadt, ich stärke mich noch mit einer Pizza und fahre dann zum Startpunkt. Auch hier herrscht wieder eine sehr nette und unterstützende Stimmung, es wird ein bisschen über das Equipment gefachsimpelt und dann geht es um 11:45 Uhr endlich los!

Am Anfang fährt das Feld eng zusammen, je mehr km es werden desto stärker zieht es sich jedoch auseinander da man sich bei den unzähligen Auf- und Abfahrten schnell verliert. Außerdem ist es unfassbar heiß und ich frage mich wirklich, wie ich die ganze Tour überstehen soll.

Aber irgendwie komme ich voran und erreiche gegen 18 Uhr das Ende von Parcour 1. Eigentlich hatte ich geplant hier schon ein Schlafplatz zu suchen, aber ich fühle mich noch fit und fahre daher weiter (Richtung Norden, womit die Routenwahl endgültig besiegelt ist). Nach ca. 20 km werde ich von einem anderen Rennteilnehmer überholt und wir fahren ein Stück zusammen und quatschen, bis ich mir schließlich eine Bushaltestelle als Schlaflager aussuche. Die ist perfekt, bis auf eine offene Seite komplett geschlossen und mit einer Bank, sodass ich relativ sichtgeschützt schlafen kann. Besser hätte meine erste Übernachtungsgelegenheit draußen ohne Zelt nicht sein können! Einziger Nachteil sind die vielen Autos, aber ich finde trotzdem genug Schlaf.

Kurz vor dem Start in Wien
Erste richtige Steigung überwunden…

Tag 2: 10 Juli 2023 – Göstling nach Ellmau (Österreich) (266 km, 2.966 hm)

Gegen 5 Uhr morgens klingelt mein Wecker und ich packe alles zusammen und fahre weiter – bis zum nächsten Supermarkt, der praktischerweise schon geöffnet hat und mit Toilette, Bäckerei und einer Bank vor dem Markt wirklich perfekt ausgestattet ist. Nach einer kurzen Rast fahre ich gestärkt weiter. Es geht durch mehrere Naturparks in der Steiermark und die Landschaft ist wirklich unfassbar schön. Immer wieder werde ich überholt (oder ich überhole) ein Pair, das ungefähr meine Geschwindigkeit fährt. Beide sind schon deutlich älter als ich und um einiges fahrraderfahrener, aber wir sind uns auf Anhieb sympathisch und ich genieße es sehr, ab und zu ein bisschen reden zu können (Ich darf nicht im Windschatten fahren, aber ein bisschen zusammenfahren und unterhalten ist okay). An einer recht viel befahrenen Straße biegen die beiden nach rechts ab und ich folge, was mit einem ziemlichen Umweg und deutlich mehr Höhenmetern quittiert wird. Etwas gefrustet von diesem Umweg mache ich erst mal Rast in einem Supermarkt und esse ein Eis, bevor es dann die ganzen Höhenmeter wieder herab geht…Mittlerweile hat sich das Wetter auch geändert, der Himmel ist voll mit Wolken und ich entkomme gerade noch so dem Gewitter. Hinter Bischofshofen geht es die Hochkönig-Straße entlang und ich merke das erste Mal, dass meine Übersetzung insbesondere bei dem Gepäck für manche Steigungen nicht ganz passend ist. Aber irgendwie schaffe ich es über beide Pässe bis nach Saalfelden am Steinernen Meer, wo ich mich erst mal im McDonalds mit Burger und Pommes stärke (was von manchen meiner dotwatchenden Bekannten mit Erstaunen kommentiert wird ;)).

Gestärkt geht es weiter, wobei ich langsam nach einer passenden Bleibe für die Nacht Ausschau halte. Ich frage zwei andere Radler, ob sie von einem guten Biwackplatz wüssten, und tatsächlich gibt es einen nur 10 km entfernt. Auf dem Weg dorthin unterhalte ich mich noch mit den Beiden, er ist Ultraläufer und kann daher ganz gut nachvollziehen, wie sich die Rennsituation für mich anfühlt. Der Platz ist ein öffentlicher Park, zu dem aber sogar eine Toilette mit Stromanschluss gehört. Perfekt! Ich ziehe mich um, baue im Dunkeln mein Nachtlager auf und habe eine sehr ruhige und erholsame Nacht unter dem Sternenhimmel.

Mein Schlaflager im Park
Sonnenaufgang am Morgen

Tag 3: 11. Juli – Ellmau nach Sankt Leonhard in Passier (Alpen) (224 km, 2219 hm)

Morgens ist es unfassbar gemütlich in meinem Bivi und ich möchte gar nicht aufstehen. Aber ein Blick auf den Traker zeigt mir, dass alle anderen schon längst am Weiterfahren sind, und so quäle ich mich aus meinem gemütlichen Schlafsack, packe alles zusammen und rolle in das Inntal hinein. In Innsbruck gehe ich erst mal einen Kaffee trinken und fahre dann weiter nach Ötz, zum Start des Parcour 1. Ab dort geht es erst mal hoch nach Sölden, wo ich gegen 17 Uhr ankomme und noch kurz meine Süßigkeitenvorräte aufstocke, bevor es dann weiter zum Timmelsjoch geht. Der Anfang ist zäh, aber hier hilft mir meine Fantasie und die Fähigkeit, sich mental in eine andere Situation hineinzuversetzen. Es bringt nix die ganze Zeit nur zu denken: Wie weit ist es noch? Ich kann nicht mehr! Warum habe ich nur so eine blöde Übersetzung? Vielmehr besteht der Trick darin, sich gedanklich mit irgendeiner anderen Sache zu beschäftigen und so die körperliche Anstrengung immer mehr zur Nebensächlichkeit werden zu lassen.

Blick ins Tal Richtung Salden vom Timmelsjoch

Glücklicherweise sind außerdem kaum andere Autos unterwegs und ich habe das Timmelsjoch fast ganz für mich allein. Nach der Mautstation geht es ein Stück runter und dann doch noch mal ziemlich lang bergauf, was ich total unterschätzt hatte. Gleichzeitig verdunkelt sich der Himmel und es sieht aus, als würde es gleich regnen. Alles etwas blöd und ich freue mich, als ich eine andere Racerin treffe. Gemeinsam quälen wir uns den Rest des Passes hoch, machen oben ein paar Fotos und treffen noch mehr Racer. Nach einer kurzen Rast geht es auf der anderen Seite runter und ich bin froh, Armlinge und Beinlinge dabei zu haben, da es nun doch recht kühl ist.

Um ca. 21 Uhr komme ich am Campingplatz in Sankt Leonhard in Passeier an. Dort treffe ich auf sehr interessierte andere Radreisende, die ganz begeistert von der Tour sind. Ich versuche, meine Erschöpfung zu verbergen und vielmehr auch begeistert zu erscheinen. Das funktioniert auch besser, nachdem ich mein Schlaflager im Aufenthaltsraum aufgebaut und geduscht habe. Leider schlafe ich ziemlich schlecht, da meine Luftmatratze die ganze Zeit auf dem glatten Boden hin und her rutscht…

Tag 4: 12. Juli – Sankt Leonhard in Passier nach San Giovanni di Fassa (Dolomiten) (149 km, 3.710 hm)

Am nächsten Morgen stehe ich gegen 06 Uhr auf, packe mein Zeug zusammen und gönne mir ein sehr großes (und unglaublich teures) Frühstück in einer Bäckerei. Aber ich bin einfach viel zu hungrig und um die Uhrzeit hat leider noch kein Supermarkt auf.

Gestärkt geht es dann den Jaufenpass hoch, relativ schnell leider in strömendem Regen. Und die Serpentinen wollen einfach nicht enden! Schließlich bin ich in komplettem Nebel, es fängt an zu donnern und ich habe keine Ahnung, wie weit es noch bis zur Passhöhe ist. Ich frage einen Autofahrer, der sagt noch ca. 500 m und tatsächlich – da ist das Passschild. Ein Glück! Triefend nass gehe ich in das kleine Café, ziehe mich komplett um, kuschele mich in meinen Schlafsack und stärke mich mit einer Tasse Kaffee. Verrückt, wie nah extreme Hitze (am Tag zuvor) und Eiseskälte zusammen liegen 😅

Aber es hilft ja nicht, ich muss den Pass wieder runter und unten kommt dann auch die Sonne raus. Ich lasse alles trocknen, ziehe mich wieder um (leider sind meine Schlafklamotten jetzt auch dreckig…) und fahre weiter. Ich habe echt keine Lust mehr. Aber mein nächstes Ziel ist: eine Pizza in Brixen! (das ist auf so einer langen Tour überhaupt der Gamechanger: Man muss sich einfach immer von Ziel zu Ziel hangeln, die im Idealfall immer nur so 20-30 km voneinander entfernt sind). Brixen ist voll mit gut riechenden Tagestouristen, und ich komme mir noch dreckiger vor als ich sowieso schon bin. Aber so etwas wird einem irgendwann auch immer egaler. Gestärkt mit Pizza und Pommes geht es anschließend weiter in Richtung Dolomiten. Dort gibt es wieder ein paar fieße Anstiege, aber aufgrund der späten Stunde bin ich fast alleine, die Wolkenkulisse ist unglaublich und lässt alle Anstrengungen des Tages vergessen. An der Passhöhe angekommen buche ich mir ein Hotel in 20 km Entfernung, lasse mich den Berg wieder runter rollen, checke ein und schlafe nach dem Duschen sehr schnell ein.

Bestes Frühstück der Tour!
Komplett durchnässt auf dem Jaufenpass…
Lieblingsort Dolomiten

Tag 5: 13. Juli –  San Giovanni di Fassa nach Mailand (288 km, 1.165 hm)

Am Morgen schlafe ich bis sieben Uhr, gönne mir noch das Frühstücksbuffet und fahre dann gestärkt weiter. Die Etappe verläuft raus aus den Dolomiten und rein in eine schön bewachsene Schlucht mit kleinen italienischen Dörfchen. Es geht jedoch (anders als erwartet) nicht nur bergab, sondern leider auch immer wieder bergauf. Allerdings ist das Ziel der ersten Etappe, der Garadasee, sehr verlockend. Und schließlich bin ich da! Es kommen viele andere Radtouristen an, für sie ist der See das Endziel der Reise und dementsprechend gut ist die Stimmung. Ich gönne mir ein Mittagessen mit direktem Blick auf den See und sehe auf dem Tracker, dass sich das Pair, mit dem ich zuvor immer wieder kurz gefahren bin, nähert. Ein guter Grund, noch ein bisschen länger sitzen zu bleiben! Und tatsächlich kommen die beiden kurz nach mir an und gemeinsam trinken wir noch einen Kaffee, bevor es dann wieder alleine weiter geht. Die Straße direkt am Gardasee ist leider ziemlich stark befahren und es geht immer wieder durch Tunnel – richtig gefährlich, zumal die Autofahrer echt rücksichtslos überholen.

Juhu, endlich am Gardasee!

In einem der längsten Tunnel fahren noch drei andere Radler hinter mir her, als es plötzlich beim Überholen eines Motorradfahrers einen Knall gibt. Ich möchte nur noch raus aus dem Tunnel und fahre weiter, die Gruppe bleibt zurück und mich plagt das schlechte Gewissen. Was, wenn etwas ernsthaftes passiert ist? Hätte ich auch anhalten sollen? Später erfahre ich, dass es sich nur um eine Reifenpanne gehandelt hat und bin erleichtert.

Trotzdem hat mich die Aktion irgendwie mitgenommen und der ganze Verkehr enorm gestresst. Ich mache immer wieder kurze Pausen, beschließe dann aber, einmal richtig anzuhalten und auch etwas zu essen. Dabei telefoniere ich kurz mit meinem Mann, was sehr gut tut. Als ich anschließend wieder weiterfahre, ist nicht nur meine Stimmung besser, sondern auch der Verkehr deutlich gemäßigter. Mit Anbruch der Dunkelheit halte ich bei einem McDonalds, unschlüssig, wo ich die Nacht verbringen soll. Ich lade meine Geräte und treffe auf einen anderen Racer, der allerdings schon aus dem Rennen ausgeschieden ist. Gemeinsam radeln wir durch die Nacht nach Mailand, er ist erst 19 Jahre alt und gerade mit der Schule fertig. Wir fachsimpeln ein bisschen über unser Equipment und tauschen uns über die bisherigen Erfahrungen aus.

In Mailand angekommen buche ich mir spontan ein Hostelzimmer mit 24 h Rezeption. Alles ein bisschen dubios, komische Rezeption, Zimmer nur mit Männern, aber wieder mal bin ich so müde, dass ich mir um mich oder das Bike keine großen Sorgen machen kann und nach dem duschen und Geräte laden um ca. 1 Uhr nachts sofort einschlafe.

Tag 6: 14. Juli –  Mailand nach Oulx (Susatal) (238 km, 1.116 hm)

Nach vier Stunden Schlaf wache ich auf, packe schnell alles zusammen und fahre durch die noch relativ ruhige und leere Stadt (am Abend bei meiner Ankunft war noch unglaublich viel los…).

Gerade rechtzeitig finde ich ein tolles Café und frühstücke erst mal ausgiebig. Als ich damit fertig bin sehe ich: Reifen platt. Mist! Aber kann man nix machen. Ich wechsele den Schlauch und kann relativ schnell weiterfahren. Es geht durch unspektakuläre Landschaften und sehr verlassene Dörfer – Po Ebene halt. Insgesamt ist aber alles deutlich weniger schlimm als gedacht. Leider fängt es bald an zu regnen und ich bin schnell ziemlich nass. In einem Dorf – ich dachte schon, dass ich die einzige Person bin, die diese verwinkelte Route nimmt –  treffe ich auf einen anderen Racer, der eine Reifenpanne hat. Er bekommt einfach den Schlauch nicht auf den Mantel! Ich kann nichts machen, außer danebenzusitzen und ihn mental dabei zu unterstützen und zu beruhigen. Schließlich schafft er es und ich freue mich unglaublich mit ihm.

Es geht weiter den Weg Richtung Turin. Dabei herrscht ein Mix aus Regen und Sonne, ich treffe immer wieder auf andere Racer und ingesamt ist die Strecke echt angenehm. In Turin angekommen esse ich in einem kleinen, italienischen Restaurant zu Mittag (Frühstück in Mailand, Mittagessen in Turin^^) und besuche noch einen Fahrradladen, in dem ich einen neuen Schlauch und ein neues Vorderlicht kaufe. Ich erzähle, dass ich noch bis Besançon kommen möchte, woraufhin mir der Mann versichert, das sei kein Problem, im Pass gebe es immer Rückenwind. Das motiviert mich total und ich merke wieder mal wie gut es tut optimistische Menschen zu treffen. Und tatsächlich – es herrscht richtig schöner Rückenwind und bald bin ich im Dorf vor der Passhöhe. Dort beginnt dann allerdings ein sehr unangenehmer Anstieg, einfach, weil die Straße so extrem befahren ist. Ich komme emotional an meine Grenzen und muss mehrmals an den Rand fahren, um mich zu beruhigen, bis ich endlich in der nächsten Stadt ankomme.  Auf Google Maps sehe ich, dass es etwas weiter im Dorf eine Kirche mit einem schönen Vordach gibt, und tatsächlich eignet sich dieses perfekt zum Schlafen. Lediglich die stündlich schlagenden Kirchenglocken sind etwas nervig…

Tag 7: 15. Juli – Oulx nach Andance (Frankreich) (238 km, 2.533 hm)

Ich wache in dem Moment auf, in dem ein Auto weg fährt – und finde mein Handy nicht mehr. In einer kurzen Schocksekunde durchsuche ich alles, und finde es unter meiner Isomatte. Ein Glück!

Ich packe alles zusammen und beginne um halb fünf morgens den Pass weiter hoch zu fahren. Der Verkehr ist jetzt zum Glück gemäßigt und die Kulisse bei dem Sonnenaufgang wunderschön! Bald bin ich mittendrin in den französischen Alpen und nach unzähligen Serpentinen kommt dann auch endlich der verkehrsfreie Tunnel, der mir von dem Mann im Fahrradladen versprochen wurde. Während die Autofahrer rechts durch den neuen Tunnel fahren, geht es für Radler links durch den alten. Das ist dann so früh morgens doch ein bisschen gruselig, gute Horror-Szenen Kulisse. Aber natürlich passiert nix dergleichen, ich radel durch den Tunnel und bin mitten in einem verschlafenen Ski-Dorf. Ab dort muss ich mich nur noch den Pass runter rollen lassen bis nach Besançon. Da ich bei der Abfahrt zunehmend Schmerzen im Rücken und noch keinen Kaffee getrunken habe, bin ich ziemlich schlecht gelaunt. Aber die erste französische Boulangerie rettet mich, ich verschlinge Unmengen an leckeren Backwaren, gehe noch mal rein, bestelle noch einen Kaffee und noch mehr essen. Aber meine Motivation ist trotzdem noch nicht wieder da. Zum Glück treffe ich beim Aufstieg zum nächsten Pass einen anderen Racer und gemeinsam läuft alles gleich viel besser. Außerdem sind die vielen Tages- Rennradfahrer und der abgetrennte Radweg auf der Straße unglaublich motivierend.

Sonnenaufgang im Susatal
Bienvenue en France!
Erster Pass in Frankreich geschafft 😉

Auf der Passhöhe fülle ich kurz meine Flasche auf und ziehe meine Armlinge und Beinlinge an, bevor es dann runter nach Grenoble geht. Je tiefer ich komme, desto größer wird jedoch die Hitze (man hatte richtig das Gefühl in eine Hitzefront einzutauchen!).

In Grenoble suche ich mir erst mal einen Supermarkt, decke mich mit Essen und Trinken ein und mache eine ausgedehnte Rast mit Mittagsschlaf. Erst knapp 2 h später geht es dann weiter Richtung Parcours 2 mit leider ziemlich viel Gegenwind.

Erst spät erreiche ich einen Campingplatz in Andance (die französischen Dörfer sind wirklich wie ausgestorben und Hotels findet man hier fast keine) und die Pforte ist leider schon zu, aber der Mann aus dem Gastronomiezelt lässt mich netterweise doch noch dort schlafen. Ich bekomme eine Parzelle mit einem Pavillon, worunter ich mein Schlafquartier aufbaue und kurze Zeit später erschöpft einschlafe.

Tag 8: 16. Juli – Andance zum Puy Mary (Massif Central) (254 km, 4.467 hm)

Als ich aufwache möchte ich gar nicht aufstehen, so gemütlich ist es unter meinem Verschlupf. Aber auch heute bringt mich der Blick auf den Tracker wieder in Schwung. Ich packe alles zusammen und fahre weiter – bis zum nächsten Ort mit einer Boulangerie, das habe ich natürlich am Abend noch ausgecheckt, wo es die gibt.  Als ich kurz danach durch ein Dorf fahre, höre ich plötzlich meinen Namen – und tatsächlich, ich werde von meinem Lieblings-Pair auf ein Kaffee abgefangen. Wir tauschen uns kurz über die aktuellen Befindlichkeiten aus und ich erfahre, dass sie heute noch bis über den Puy Mary wollen – das ist dann wohl auch mein Plan für den Tag 😀

Gestärkt geht es weiter über unzählige bergauf und bergabs, bis ich endlich am Start des Parcour 2 bin und mit dem Anstieg hoch zum Puy Mary beginne. Die Landschaft ist anders als in den Alpen und Dolomiten, sie erinnert ein bisschen an eine Mischung aus dem Schwarzwald und den Allgäuer Alpen. Als ich in einem Dorf vorbei komme stehen total viele Leute an der Straße, die alle jubeln und meinen Namen rufen – bis heute habe ich noch nicht rausgefunden, wer das initiiert hat, aber es war unglaublich cool! Ich fahre weiter, die Sonne geht unter und die Stimmung ist einfach wunderschön. Und schließlich bin ich oben auf dem Pass. Checkpoint 2 ist auch geschafft! Unfassbare Stimmung, tolle Atmosphäre, mal wieder sind alle Tiefs vergessen! Meinen Plan, oben zu biwakieren verwerfe ich aber aufgrund der Kälte. Ich fahre noch ein Stück bergab, was im Stockdunkeln nicht so spaßig ist und lege mich sobald ich die erste Siedlung erreicht habe hinter ein Haus auf eine Wiese. Über mir ist nur der Sternenhimmel. Es ist wunderschön, aber auch ziemlich kalt und ich bin froh über meinen warmen Schlafsack.

Wunderschöne Abendstimmung…
… und ein traumhafter Sonnenuntergang!

Tag 9: 17 Juli – Puy Mary nach Toulouse (260 km, 1.646 hm)

Ich schlafe mal wieder sehr tief und wache erst mit dem Weckerklingeln wieder auf. Da es schon dämmert packe ich schnell meine Sachen zusammen und lasse mich den restlichen Hang runter rollen, bis ich endlich im nächsten größeren Dorf ankomme. Dort suche ich eine Boulangerie, wobei ich auf einen anderen Rennteilnehmer treffe, der ebenfalls die perfekte Kombi aus Café und Boulangerie zu schätzen weiß. Wir tauschen uns über unsere Routen aus (er ist über den Norden gefahren) und wie so unsere Nacht war. Gemeinsam fahren wir noch ein Stück zusammen weiter und quatschen ein bisschen. Auf der Abfahrt trennen sich jedoch unsere Wege, ich bin einfach deutlich langsamer als er. Schließlich erreiche aber auch ich das Ende von Parcour 2 und beginne mit dem langen (und etwas langweiligen) Abschnitt nach Toulouse. Es geht zuerst durch die Natur, aber dann relativ lang einfach nur auf einer Bundesstraße entlang – bei brutaler Hitze und Sonnenschein. Ich radele und radele. In einem Dorf suche ich nach Essen, finde jedoch nichts (Sonntage und Montage sind essenstechnisch ziemlich schwierig in Frankreich, wie ich später erfahre). Als ich eine Frau nach Einkaufsmöglichkeiten frage, lädt sie mich kurzerhand zu sich ein und richtet mir Brote. Das Haus ist bis in den letzten Winkel zugestellt und wirkt total gemütlich. Ich freue mich sehr über die Begegnung und gestärkt geht es eine halbe Stunde später weiter Richtung Toulouse. Dorthin geht es über Montabaur und dann einen ewig langen, schnurgeraden Kanalweg entlang. Mit Anbruch der Dunkelheit rolle ich in die Stadt ein, fahre erst mal zum falschen Hotel (warum gibt es auch zwei vom gleichen Anbieter in dieser Stadt?!) und nutze den Umweg jedoch, um mir die Stadt noch etwas anzuschauen und was zu essen zu holen. Glücklich checke ich gegen halb 11 in das richtige Hotel ein, wasche meine Kleidung und mich, esse und schlafe kurze Zeit später wieder vollkommen erschöpft ein.

Tag 10: 18. Juli – Toulouse nach Boutx (Pyrenäen) (168 km, 2.561 hm)

Am Morgen überlege ich kurz, ob ich noch das Frühstücksbuffet mitnehmen soll, entscheide mich dann aber doch für den etwas früheren Aufbruch und das letzte Frühstück in einer französischen Boulangerie. Anschließend kaufe ich noch ein paar Snacks im Supermarkt und fahre dann los Richtung Pyrenäen. Toulouse wäre definitiv eine Stadt, in der ich gerne mal ein bisschen leben würde: scheinbar wirklich tolles Abend/Nachtleben, Nähe zu den Bergen, die Boulagerien… In einer etwas größeren Stadt mache ich einen kurzen Stopp in einem Café (leider ist der Kaffee hier deutlich schlechter als in Italien) und fahre dann weiter. Die Hitze macht mir zunehmend zu schaffen. Im letzten Supermarkt vor den Pyrenäen mache ich noch mal Halt, kaufe viel zu viel Lebensmittel, finde keinen wirklich gemütlichen Ort zum essen, fahre unbefriedigt weiter und beginne den Kampf gegen die drei vor mir liegenden Peaks. Und das bei ca. 40 Grad und praller Sonne. Ich bin am Ende der Kräfte. Schaffe es kaum, auch nur ansatzweise kraftvoll zu treten und kämpfe mich wirklich Stück für Stück, mit unfassbar vielen Pausen den Berg hoch. Dann Abfahrt, ein Eis, dann den nächsten Pass hoch. Kurz vor der Passhöhe des Dritten Passes (Col du mente) treffe ich wieder auf den Racer vom Tag zuvor. Er ist in einer fast noch desaströseren Stimmung als ich und gemeinsam kämpfen wir uns die letzten Meter nach oben. Bei der Auberge auf der Passhöhe fragt er nach einem Zimmer, und tatsächlich, es gibt noch eins für uns. Was für ein Glück!! Und so sitzen wir eine knappe Stunde später frisch geduscht bei einem herrlichen Abendessen. Und als dann noch der Riesen Becher Eis zum Nachtisch kommt ist die Welt endgültig wieder in Ordnung!!! Echt verrückt, wie schnell sich alles ändern kann 😊

In den Pyrenäen
Bestes Abendessen der Tour!
Zwischenstand Bike: Noch hält alles.

Tag 11: 19 Juli –  Boutx nach Calaf (Spanien) (229 km, 3. 065 hm)

Um fünf klingelt der Wecker und wir quälen uns aus den Betten und rein in die Radklamotten. Es ist noch dunkel als wir den Pass herabfahren und so verlieren wir uns schnell, da ich bei den Lichtverhältnissen bergab noch langsamer als sowieso schon bin. Noch in der Dämmerung erreiche ich die Spanische Grenze, und wieder mal bin ich erstaunt wie schnell dich das komplette Landschafts- und Stadtbild hinter einer Grenze ändert. Mein Ziel ist die nächste größere Stadt hinter der Grenze und mein Kaffeebarometer ist wirklich im gefährlich roten Bereich als ich endlich dort ankomme – und wieder auf den anderen Racer treffe, der sich auch erst mal zwei Kaffees bestellt hat. Wir frühstücken und unterhalten uns ein bisschen über unsere Arbeitsalltage, was auch mal ganz nett ist. Anschließend fahren wir noch ein Stück hoch zu einem Tunnel, der glücklicherweise die Höhenmeter für den Tag deutlich reduziert (Komoot rechnet immer die Höhenmeter, die man ohne den Tunnel hätte fahen müssen). Angekommen am Tunnel geben wir telefonisch Bescheid, dass wir da sind, woraufhin eine ganze Fahrbahn gesperrt wird – richtig cool!

Aber das ist auch wirklich nötig, weil mit den 10 km kommt einem die Fahrt durch den Tunnel unfassbar lange vor. Als wir das andere Ende erreichen trennen sich unsere Wege wieder, der andere Racer düßt vor, ich tröpfele hinterher. Insbesondere die Hitze macht mir zu schaffen und ich bin unfassbar müde. Ich muss mir einfach immer wieder ins Gedächtnis rufen, wie viel ich schon geschafft habe und wie wenig die ca. 250 km noch sind. Aber es ist hart. Ich quäle mich über den nächsten Pass und kehre dann in die nächstbeste Kneipe ein, die wirklich süß ist – schön im Stil einer spanischen Western-Kneipe. Ich trinke einen Kaffee, gehe auf die Toilette, telefoniere kurz mit meinem Mann und versuche meine letzte Kraft und Motivation zusammen zu kratzen, bevor ich dann weiter fahre. Ich bin gerade wieder einigermaßen motiviert, als in einem Tunnel das passiert, vor dem ich immer Angst hatte. Ich übersehe eine Unebenheit auf der Straße, verliere das Gleichgewicht und stürze. Also genauer gesagt schrabbe ich an der Tunnelwand entlang. Ich habe ein paar Schürwunden und mein Lenker ist schief, aber ansonsten scheint alles in Ordnung zu sein. Ich schiebe erst mal auf eine Seitenstraße, die glücklicherweise direkt neben dem Tunnel ist und versuche mein Rad wieder zu richten. Zum Glück muss man den Lenker nur wieder gerade einstellen und auch die Bremse ist nur verschoben. Ich drehe ein paar Runden auf der Straße und entscheide mich dann dazu, bis zum nächsten Dorf weiter zu fahren. Dort finde ich eine tolle Apotheke, werde gut versorgt und beruhigt, verarzte mich und überlege, was ich jetzt machen soll. Meine Route führt mich erst mal weg von irgendeiner Möglichkeit, anders als mit dem Rad nach Barcelona zu kommen und von dort, wo ich bin gäbe es eine Zugverbindung – ich muss zugeben, ich bin versucht, das zu machen. Aber jetzt aufgeben?! Und so entscheide ich mich dazu, erst mal weiter zu fahren, was ziemlich gut klappt. Leider habe ich kaum mehr Wasser, weshalb ich in einem Dorf an den Haustüren klingeln muss (was zur Siesta-Zeit gar nicht so erfolgsvorsprechend ist…). Aber ich habe Glück, in einem Haus kocht eine Frau bei offenem Fenster und nach kurzen Übersetzungs-Problemen füllt sie meine Flaschen mit kaltem Wasser auf. 

Lustigerweise hat sich durch den Sturz meine Einstellung geändert. Vorher hatte ich mich über so vieles geärgert, dass ich nicht so weit vorne bin, wie ich gerne wäre, dass es so anstrengend ist und, und, und. Jetzt bin ich einfach nur unfassbar dankbar dafür, dass ich weiter fahren kann. Mir nichts zu arg weh tut und mein Fahrrad bei dem Sturz nicht beschädigt wurde. Aber gleichzeitig ärgere ich mich auch über mich selbst und mache mir Vorwürfe, dass ich nicht vorsichtig genug gewesen bin. Ich fahre noch weiter, mache bei der nächsten Stadt noch mal Halt, trinke zwei Colas und esse zwei Magnum und fahre dann noch ein bisschen weiter. Eigentlich war mein Plan, die Nacht durchzufahren, aber jetzt bin ich doch unsicher, ob ich das wirklich machen soll. Und so halte ich beim nächsten Dorf an, suche nach einer Unterkunft (es gibt leider keine) und schlage dann mein Schlafplatz auf einem Feld vor der Stadt auf, was in vielerlei Hinsicht eine blöde Idee war – laut, hell beleuchtet, und sehr gut einsehbar von der Straße. Außerdem sind da ja noch die zwei Flaschen Cola in mir. Um es kurz zu machen, ich bekomme kaum Schlaf. 

Tag 12: 20 Juli – Boutx nach Barcelona (129 km, 2040 hm)

Ich fahre um drei Uhr nachts weiter, so langsam möchte ich auch einfach ankommen. Im Dunkeln zu fahren ist eine Herausforderung für mich, aber es geht alles gut und zeigt mir, dass man sich auch oft unnötig vor etwas fürchtet. Im Morgengrauen komme ich in Montserrat, dem Start vom Finisherparcour, an. Die Landschaft ist wunderschön und ich sehe viele Tiere.

Letzter Sonnenaufgang vor dem Ziel…da wird man doch schon fast ein bisschen traurig, dass es bald vorbei ist!

Allerdings habe ich ziemlich Hunger, und so warte ich im nächsten Dorf ein paar Minuten, bis die erste Bäckerei aufmacht und frühstücke erst mal. Ja und dann geht es weiter, die letzten km und letzten hm der Tour. Es geht tatsächlich noch mal ziemlich hoch und selbst kurz vor Barcelona werden keine Höhenmeter ausgelassen. Aber schließlich ist es geschafft, ich bin an der Kirche angekommen und muss mich nun nur noch den Berg herunter und zum Ziel rollen lassen. Was sich aufgrund des Verkehrs als doch relativ zäh erweist. Aber irgendwann bin ich da und werde von den anderen in Empfang genommen. Lustigerweise hatte ich mir vorher oft ausgemalt, wie es sein wird, im Ziel anzukommen. Jetzt bin ich um ehrlich zu sein emotional komplett leer und spüre einfach nichts. Keine Freude, keine Dankbarkeit, keine Überwältigung. Erst später, als ich dann frisch geduscht mit den anderen zusammen sitze und Geschichten austausche realisiere ich, was für eine unfassbar coole Tour das gewesen ist. Und wie viel ich dabei gelernt habe. Aber in dem Moment war ich einfach nur fertig – müde, hungrig und körperlich ausgelaugt.

Ich quatsche kurz mit den anderen, lasse mich fotografieren und gehe dann mit einem anderen Racer zum Mittagessen. Es ist cool, sich über die Tour und die Erfahrungen auszutauschen. Er war wirklich extrem schnell und ich bin ziemlich beeindruckt von seiner Leistung. Aber er auch von meiner – so gesteht er mir, dass er vor der Tour nicht damit gerechnet hätte, dass ich das schaffe, einfach aufgrund des doch relativ einfachen Fahrrades (falls du das hier liest: Danke, dass du mir das vorher nicht gesagt hast ;)). Und ja, das hätte definitiv besser sein können. Aber trotzdem bin ich im Ziel angekommen. Und ich habe echt viel gelernt.

Nach dem Essen möchte ich in meinem Hotel einchecken, was mir jedoch verwehrt wird, weil keine Fahrräder erlaubt sind. Nicht deren Ernst! Also neues Hostel suchen, einchecken,  duschen und pünktlich zu der Ankunft von dem Pair, die immer wieder in meiner Nähe gefahren sind, bin ich wieder am Triumphbogen. Die Stimmung ist einfach großartig, alle sitzen rum, quatschen, irgendwann wird Pizza geholt. Es ist einfach nur schön und ich bin unfassbar glücklich. Was für eine Tour!

Die Bilder in der Galerie sind alle von dem Veranstalter des Rennens, Adventure Bike Racing. Danke für die tolle Organisation!